In der JA 2014, 659ff beschäftigt sich Stefan Jobst u.a. mit einem Klausurenklassiker. Auf Seite 661 geht es um die Frage, ob eine Arbeitsleistung als Aufwendung iSd §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB anzusehen ist.
Leider verwechselt der Autor hier die Diskussion um § 670 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich mit der Diskussion, die zu § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB geführt wird.
Für diejenigen, die es eilig haben: Wir müssen § 670 BGB einerseits und § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB andererseits unterscheiden. Der Begriff „Aufwendungen“ wird dort nämlich nicht einheitlich verwendet. Man muss also beide Kontexte mit einem „double eye“ betrachten (so der Titel des Bildes).
Zu § 670 BGB schreibt Sprau im Palandt, 2014, Rn. 3:
Der Aufwendgsbegriff ist enger als der […] des § 683 (dort Rn 8) […]. Nicht dazu gehören: Die eig ArbZeit u -Leistg, die der Beauftr zur Ausführg des Auftr aufwendet, einschl des dadch uU entgangenen Verdienstes […].
Zu § 683 BGB heißt es bei Sprau im Palandt, 2014, Rn. 8:
Wie beim Auftr grdsätzl kein Ersatz für vom GeschFührer aufgewendete Zeit u ArbKraft; and als dort ist aber für Leistgen, die zum Beruf od Gewerbe des GeschFührers gehören, vergleichb der Regelg in § 1835 III die übl Vergütg zu zahlen, weil es bei der GoA an der Vereinbg der Unentgeltlichk fehlt.
Jobst prüft § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB, zieht aber zur Begründung, dass es für die Arbeitsleistung keinen Aufwendungsersatz gibt, (leider) nur Erwägungen heran, die zu § 670 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich gehören.
Für diejenigen, die eine ausführliche Herleitung lesen wollen geht es dann hier weiter 😉
Jobst schreibt auf S. 661:
Ein Anspruch des S gegen M auf Aufwendungsersatz iHv 15.000 EUR für die erbrachten Architektenleistungen gem. §§ 677, 683 S. 1, 670, 1922 I, 1924 I BGB scheitert zwar nicht an der entsprechenden Anwendung von § 1835 III BGB, wonach nur Aufwendungen für berufliche Dienste ersetzt verlangt werden können (Fest ZJS 2009, 528 [531]). So ist F Architektin. Aufwendungen iSd § 670 BGB sind aber nur freiwillige Aufopferungen von vorhandenen Vermögenswerten im Interesse eines anderen (BGHZ 59, 328 [329]; NK-BGB/Schwab, Nomos Kommentar BGB, 2. Aufl. 2012, § 670 Rn. 5).
Wir können festhalten: Aufwendungen iSd § 670 BGB sind nur freiwillige Vermögensopfer im Interesse eines anderen. Das ist allgemein anerkannt.
Nun weiter auf S. 661 bei Jobst:
Vom Gegenstand her müssen sie sich demnach negativ auf das Vermögen des Geschäftsführers auswirken (BGH NJW 2004, 2036 [2037]; MüKoBGB/Seiler aaO § 670 Rn. 6; Staudinger/Martinek, BGB, 2006, § 670 Rn. 7). Mit der Arbeitsleistung können jedoch allenfalls Vermögenswerte geschaffen werden. Sie stellen keinen eigenen Vermögenswert dar, sodass sie gerade keine Aufwendungen iSd § 670 BGB sind (RGZ 149, 121 [124]; Jauernig/Mansel aaO § 670 Rn. 2).
Hier sind die angegebenen Belege etwas problematisch:
– BGH NJW 2004, 2036: Zunächst handelt es sich nicht um ein Urteil des BGH, sondern um ein solches des BAG. Aktenzeichen ist 9 AZR 657/02. Entscheidender ist aber: Das Urteil beschäftigt sich mit § 670 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich und nicht mit dem über die Verweisnorm des § 683 S. 1 BGB eröffneten Anwendungsbereich. Rn 37:
Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. […] Der Anspruch steht ihr zu, weil er aus dem zwischen ihr und der Beklagten zugrundeliegenden Rechtsverhältnis iVm. § 670 BGB herrührt. […]
– MüKoBGB/Seiler aaO § 670 Rn. 6: Richtig ist, dass Seiler schreibt, Aufwendungen müssten sich negativ auf das Vermögen des Geschäftsführers auswirken. Seiler äußert sich aber zu § 670 BGB und nicht zu § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB. Zu Arbeitsleistungen schreibt er unter Rn. 7 und verweist weiter auf Rn. 19f. Unter Rn 20 wird dort verwiesen:
Für die Geschäftsführung ohne Auftrag gilt die in § 683 Rn. 25 beschriebene Besonderheit.“
Und am Ende liest man dann:
§ 683 ist demnach im Wege korrigierender Interpretation so auszulegen, dass dem Geschäftsführer eine angemessene Vergütung zusteht, wenn die Übernahme der Geschäftsführung nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten war.
Im Ergebnis sieht Seiler die Situation also ganz anders als Jobst.
– Staudinger/Martinek, BGB, 2006, § 670 Rn. 7:
Es versteht sich, dass die Tätigkeit iSd Arbeitseinsatzes des Beauftragten keine Aufwendung nach § 670 darstellt, so dass der unentgeltlich tätige Beauftragte insoweit keinen Ersatz verlangen kann.
Aber auch diese Kommentierung bezieht sich nur auf § 670 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich. Zu § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB schreibt Martinek unter Rn. 10 (in Gegenüberstellung zu § 670 BGB):
Die analoge Anwendbarkeit des § 1835 Abs 3 auf den Aufwendungsersatzanspruch des auftraglosen Geschäftsführers nach §§ 683 S 1, 670 steht dem nicht entgegen. Hier beruht die Analogie auf dem Grundgedanken des auftraglosen Geschäftsführungsrechts, dass ein freiwillig-uneigennütziger Einsatz in fremdem Interesse ohne dahingehenden Auftrag begünstigt werden soll. Eine “qualifizierte Unentgeltlichkeit“ kann dem auftraglosen Geschäftsführer ebenso wenig wie dem Vormund abverlangt werden. Anders aber ist die Lage bei dem Beauftragten, der sich durch die Übernahme des Auftrags zur unentgeltlichen Auftragsausführung verpflichtet und der auch seine gewerbe- oder berufsbezogenen Dienste bewusst unentgeltlich einsetzt.
– RGZ 149, 121 [124]: Hier geht es um § 2218 I BGB iVm § 670 BGB, also wieder um eine andere Konstellation, die auch andere Wertungen verlangt.
– Jauernig/Mansel aaO § 670 Rn. 2: „Nicht aber <sc. ersatzfähig, M.H.>, da unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, die eingesetzte Arbeitskraft“. Aber auch hier befinden wir uns wieder im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 670 BGB. Ansonsten verweist uns Mansel weiter: „weitergehend bei GoA § 683 Rn 6“. Dort steht dann:
Weitergehend als bei § 670 umfasst der Anspruch die übliche Vergütung, wenn die Geschäftsführung in den Bereich der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Geschäftsführers fällt.
Weiter im Text bei Jobst, JA 2014, 661:
Dies gilt selbst dann, wenn zur Ausführung des Auftrags eine sich auf den Beruf des Geschäftsführers auswirkende Tätigkeit erforderlich ist und dieser deshalb einen Verdienstausfall erleidet (BGH NJW-RR 1988, 745 [746]; Staudinger/Martinek aaO § 670 Rn. 10).
– BGH NJW-RR 1988, 745: Hier geht es um § 27 III BGB iVm § 670 BGB – also eine nicht vergleichbare Fallkonstellation.
– Staudinger/Martinek: Bereits oben als nicht passender Beleg „enttarnt“.
So wie Jobst sollte man also in einer Klausur nicht vorgehen. Sicher kann man erwähnen, dass im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 670 BGB die Arbeitsleistung nicht als Aufwendung angesehen wird. Dann sollte man aber zeigen, dass in der vorliegenden Fallkonstellation § 670 BGB nur über § 683 S. 1 BGB zur Anwendung kommt und deshalb andere Wertungen herangezogen werden müssen.
Dabei ist der Diskussionsstand dann auch nicht so unumstritten wie im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 670 BGB.
Ein Blick in die JuS 2011, 1100ff. Dort schreiben Zimmermann/Neideck bereits in der Gliederung:
6.Rechtsfolge: Aufwendungsersatz, §§ 683 S. 1, 670 BGB
Problem: Ersatzfähigkeit von Arbeitsleistung
Es kann also nicht einseitig sofort davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsleistung als Aufwendung anzusehen ist bzw nicht anzusehen ist. Vielmehr ist hier Argumentationskraft gefragt: Zimmermann/Neideck schreiben auf S. 1101:
Die Ansicht, dass dem Geschäftsführer generell ein Anspruch auf ein angemessenes Entgelt zu versagen sei, wird heute nicht mehr vertreten.
Diese These belegen die Autoren mit einem Verweis auf Bergmann, der im Staudinger, 2006, zu § 683 BGB unter Rn. 58 schreibt:
Für eine heute nur noch selten vertretene Auffassung hat es hierbei sein Bewenden. Sie versagt dem Geschäftsführer immer und stets einen Vergütungsanspruch und beschränkt seinen Aufwendungsersatzanspruch auf den Ersatz von Vermögenseinbußen (Melullis, Das Verhältnis von Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung 10 ff; Oertmann § 683 Anm 3 b).
Aus „eine heute nur noch selten vertretene Auffassung“ wird eine „heute nicht mehr vertreten[e Auffassung]“. Trotzdem bleibt es im Ergebnis natürlich dabei, dass es sich um eine Mindermeinung handelt.
Zimmermann/Neideck setzen die Argumentation dann wie folgt fort (S. 1101f):
Im Auftragsrecht, auf das § 683 S. 1 verweist, ordnet § 662 die Unentgeltlichkeit an. Der Verweis auf das Auftragsrecht ist aber, soweit es um die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Geschäftsführers geht, ein Redaktionsversehen.
Hier hätte man dann auch den Anknüfungspunkt zu der Argumentation von Jobst. Die Autoren argumentieren überzeugend weiter:
Zudem fehlt es bei einer GoA gerade an der Einigung über die Unentgeltlichkeit. Zwar ginge es zu weit, jede Aufwendung von Arbeitskraft als ersatzfähig anzusehen. Jedenfalls in Fällen, in denen die Geschäftsführung in den Bereich der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Geschäftsführers fällt und deshalb nicht erwartet werden kann, dass die Tätigkeiten umsonst erfolgen, ist § 683 S. 1 mit der h.M. so anzuwenden, dass ein Anspruch auf die übliche Vergütung besteht. Methodisch wird dies unter anderem mit einer analogen Anwendung des § 1835 III begründet.
Im Ergebnis ist es unerheblich, wie man sich in einer Klausur entscheidet. Wichtig ist es aber zu zeigen, dass Problembewusstsein für eine umstrittene Fallkonstellation besteht. Selbst wenn man den Streit im Anwendungsbereich von § 683 BGB iVm § 670 BGB nicht auswendig rekapitulieren kann, lässt er sich wie viele andere klassische Streitigkeiten aufbauen: Zunächst werden die beiden denkbaren Extreme dargestellt, und dann wird ein Mittelweg gesucht:
– Arbeitsleistungen sind stets als Aufwendungen anzusehen.
– Arbeitsleistungen sind nie als Aufwendungen anzusehen.
– Arbeitsleistungen sind im Anwendungsbereich von § 1835 III BGB als Aufwendungen anzusehen.
Wir merken uns ganz besonders: Aufwendungen iSd § 670 BGB sind nicht identisch mit Aufwendungen iSd § 683 BGB iVm § 670 BGB.
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