In der RÜ 9/2014 beschäftigt sich Gründer auf den Seiten 597ff mit dem Abschleppen verbotswidrig an einem Taxenstand parkender Fahrzeuge, im konkreten Fall eines Busses. Dabei stellt sich insbesondere das Problem der Verhältnismäßigkeit.
Dazu leitet Gründer auf S. 600 so ein:
dd) Die Entscheidung, den Bus im Wege des Verwaltungszwangs umsetzen zu lassen, stand gemäß § 6 Abs. 1 VwVG im Ermessen der Stadt F. Eine Ermessensentscheidung ist gemäß § 40 VwVfG u.a. dann fehlerhaft, wenn die Behörde dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Entscheidung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, der Teil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) ist und in allen Polizeigesetzen seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat.
An sich eine wirklich schöne Einleitung, die insbesondere normativ arbeitet. Warum der Satz, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in allen Polizeigesetzen seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat, eine Rolle spielt, leuchtet jedoch nicht unmittelbar ein.
Problematischer ist aber der Übergang zu dem nächsten Prüfungspunkt.
Hier heißt es unmittelbar nach dem eben genannten Zitat:
(1) Dass die getroffene Abschleppanordnung geeignet war, den andauernden Verstoß gegen das Halteverbot zu beenden, ist nicht zweifelhaft.
Jedoch beginnt die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (unbestritten) nicht mit dem Prüfungspunkt der Geeignetheit. Vielmehr ist – logisch zwingend – zunächst der legitime Zweck zu benennen, der mit der Maßnahme verfolgt wird. Denn ohne Festlegung eines Zwecks fehlt der Bezugspunkt für die Prüfung der Geeignetheit zu eben diesem Zweck.
Im Grundlagenaufsatz „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (JuS 2014, S. 193ff) schreiben Klatt/Meister:
Die staatliche Stelle, die in Freiheitsrechte eingreift, muss mit dem Eingriff einen legitimen Zweck verfolgen. Die Prüfung besteht aus zwei Schritten: Erstens ist der tatsächlich mit dem Eingriff verfolgte Zweck aus dem Sachverhalt genau zu identifizieren und präzise zu benennen. Zweitens ist eine Bewertung anhand der Frage vorzunehmen, ob dieser Zweck rechtlich zulässig ist. Dabei erfolgt eine isolierte Betrachtung nur des Zwecks selbst; die Zweck-Mittel-Relation spielt hier noch keine Rolle. In Prüfungsarbeiten ist die Legitimität des Zwecks fast immer zu bejahen.
Auch beim Umsetzen des Busses im konkreten RÜ-Fall wäre der legitime Zweck leicht zu bejahen gewesen – dennoch muss ein Satz dazu geschrieben werden.
Im Anschluss daran ist kurz die Legitimität des Mittels zu untersuchen, vgl. Klatt/Meister, JuS 2014, 193 (195):
Auch die Prüfung der Legitimität des Mittels erfolgt isoliert, abstrakt und zweistufig: Das tatsächlich eingesetzte Mittel ist präzise zu benennen und anschließend rechtlich zu bewerten. In Prüfungsarbeiten wird die Legitimität des Mittels in der Regel zu bejahen sein.
Nur so kann auch ein Bezugspunkt zur Geeignetheit hergestellt werden (Klatt/Meister, JuS 2014, 193 (195)):
Die bisherigen Schritte [Legitimer Zweck und legitimes Mittel] haben das Feld für die Prüfung der Geeignetheit vorbereitet. Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der verfolgte Zweck gefördert werden kann.
Genau an dieser Stelle könnte dann die Prüfung, die in der RÜ durchgeführt wird, eingefügt werden. Die genaue Gliederung dient nicht nur der logischen Richtigkeit, sondern hilft auch dem Klausurenschreiber, strukturiert zu prüfen und nicht in einen Besinnungsaufsatz zu verfallen.
Andere Aspekte der Befassung mit der Abschlepp-Problematik wurden bereits diskutiert unter:
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