In der RÜ 2/2015 werden im Strafrechtsteil von Johannes Hellebrand in der gleichen Fall-Lösung die Formulierungen „strafbar“ und „schuldig“ verwendet.
A ist einer Nötigung schuldig.
(Seite 103).
A könnte einer versuchten gefährlichen Körperverletzung, §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2, 22, 23 StGB schuldig sein.
(Seite 103; zum Normzitat siehe bereits diesen Beitrag).
A ist wegen versuchter Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 2, 22 StGB strafbar.
(Seite 104).
A ist einer versuchten Sachbeschädigung schuldig.
(Seite 104).
Warum manchmal „strafbar“, warum manchmal „schuldig“?
Das erklären Christina und Holm Putzke in der JA 2014, 183:
Aber Achtung: Die Formulierung des Einleitungssatzes in der Form von „X könnte sich wegen Totschlags strafbar gemacht haben, indem er …“ empfiehlt sich nicht, wenn es einen konkurrierenden Tatbestand gibt, der den zu prüfenden verdrängt.
Beispiel: Man beginnt mit der Prüfung des § 212 StGB und sieht voraus, dass im Anschluss daran noch § 211 StGB zu prüfen ist. Ungeschickt wäre dann die Formulierung „X hat sich wegen Totschlags strafbar gemacht.“ Denn wenn die Voraussetzungen mehrerer Straftatbestände erfüllt sind (zB von § 212 und § 211 StGB), steht vor Klärung der Konkurrenzen gerade nicht fest, aus welchem Straftatbestand sich die Strafbarkeit ergibt (siehe Rotsch, Strafrechtliche Klausurenlehre, 2013, Rn. 193). Wird im oben genannten Beispiel § 211 StGB bejaht, erwiese sich die bei § 212 StGB gewählte Formulierung („X hat sich wegen Totschlags strafbar gemacht“) nachträglich als falsch, denn zu bestrafen wäre X allein aus § 211 StGB.
Dass dieser Widerspruch tatsächlich droht, sieht man in der Fall-Lösung von Jens Andreas Sickor in der JuS 2014, 807 (808). Im Obersatz heißt es:
Durch das Einstecken der Geldscheine und der Uhr könnte sich A nach § 242 strafbar gemacht haben.
(Besser wäre: § 242 I StGB). Die Prüfung endet dann in Bezug auf § 242 I StGB mit der Feststellung:
A handelte außerdem rechtswidrig und schuldhaft.
Im Anschluss daran wird ein Regelbeispiel geprüft:
A könnte zudem einen Diebstahl in einem besonders schweren Fall verwirklicht haben. In Betracht kommt hier das Regelbeispiel des § 243 S. 2 Nr. 1 Var. 1.
Dies wird im Ergebnis bejaht:
A hat sich wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht.
Danach folgt dann eine Prüfung einer Qualifikation:
A könnte sich durch das Mitführen des Taschenmessers auch nach § 244 strafbar gemacht haben.
(Auch hier wäre ein genaueres Normzitat wünschenswert, enthält § 244 StGB doch mehrere Qualifikationstatbestände).
Ein Schluss-Satz folgt auf diese Qualifikationsprüfung leider nicht mehr.
Dennoch sehen wir an diesem Beispiel ganz gut die Problematik, die von den Putzke’s beschrieben wird: Wenn wir bei § 242 I StGB bereits von „strafbar“ sprechen und später eine Qualifikation des § 244 I StGB bejahen, würde § 242 I StGB dahinter zurücktreten, sodass der Täter zwar eines Diebstahls gemäß § 242 I StGB schuldig wäre, aber nicht wegen eines Diebstahls gemäß § 242 I StGB strafbar.
– Die Formulierung „schuldig eines“ ist vorzugswürdig, wenn wir im Laufe unseres Gutachtens noch weitere Straftatbestände prüfen werden, die das zuerst geprüfte Delikt verdrängen könnten.
– Auch wenn wir im Rahmen unseres Gutachtens von „schuldig eines“ sprechen, müssen wir im Ergebnis-Satz, nachdem wir die Konkurrenzen geprüft haben, wieder mit der Formulierung „strafbar wegen“ arbeiten, weil wir die Fall-Frage beantworten müssen, die idR nach der Strafbarkeit fragt.
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