„Nicht so berechtigter Besitzer“ – wie man ihn in einer Klausur unterbringen kann

In der JuS 2015 befindet sich auf den Seiten 156ff eine Fall-Lösung von Nikolas Klein, die mit „(Original-)Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Anwaltshaftung, Mietrecht und Zivilprozessrecht – Der untätige Rechtsanwalt“ betitet ist.

Zunächst ein kurzer Blick in den Sachverhalt, Seite 156:

W hat eine Wohnung an M vermietet. Nachdem M ausgezogen ist, findet eine Wohnungsübergabe statt, bei der W feststellt, dass die Wohnung in keinem guten Zustand ist. Wörtlich heißt es:

Außerdem sind im Bad die Toilette und das Waschbecken, die erst vor dem Einzug von M erneuert worden waren, beschädigt worden. Offensichtlich hat man auf die Toilette und das Waschbecken Gegenstände fallen lassen, denn sie weisen so erhebliche Sprünge und Absplitterungen auf, dass sie nicht mehr benutzbar sind.

Nun könnte man (neben vielen anderen Ansprüchen, die in der Fall-Lösung angesprochen werden) an ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis denken. Dazu heißt es in dem Lösungsvorschlag auf Seite 159:

(cc) Schadensersatz für Waschbecken und Toilette gem. §§ 989, 990 BGB – 2920 Euro. Ein Inhaltsgleicher Schadensersatzanspruch des W gegen M gem. §§ 989, 990 BGB scheitert bereits daran, dass zum Zeitpunkt der Beschädigungen wegen des Besitzrechts des M gegenüber W kein EBV bestand.

pusteblumeIm Zeitpunkt der schädigenden Handlung, also der Beschädigung von Waschbecken und Toilette, bestand zwischen W und M ein Mietvertrag, § 535 BGB, sodass W zwar Eigentümer und B Besitzer war, jedoch hatte B ein Recht zum Besitz, § 986 I 1 BGB. Damit besteht unmittelbar kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zwischen W und M, denn dieses regelt nur das Verhältnis zwischen Eigentümer und unberechtigtem Besitzer.

Möglicherweise gibt es aber einen Gedanken, den man an dieser Stelle noch ansprechen könnte. Richtig: Die Figur des „nicht-so-berechtigten Besitzers“. Worum geht es dabei?

Roth beschreibt die Figur in der JuS 2003, 937 (939) wie folgt:

An eine Anwendung der §§ 987ff. ließe sich ferner denken, wenn der berechtigte (rechtmäßige) Besitzer sein Besitzrecht überschreitet („nicht so berechtigter Besitzer”).

Genau diese Konstellation liegt in unserem Fall vor: M als Mieter hat zwar ein Besitzrecht, hat dieses aber überschritten, indem er Waschbecken und Toilette beschädigte.

In einem Gutachten müsste dann aber die Frage entschieden werden, ob die Konstruktion des „nicht so berechtigten Besitzers“ überzeugend ist.

Zunächst ein Argument, das für eine Anwendung der §§ 987ff BGB in diesem Fall spricht:

Roth, JuS 2003, 937 (939):

Der Teil der Besitzrechtsüberschreitung ließe sich dann als unrechtmäßiger Besitz deuten und sogar im Sinne einer Vindikationslage beschreiben.

Und dann ein Argument, das gegen eine Anwendung der §§ 987ff BGB in diesem Fall spricht:

Roth, JuS 2003, 937 (939):

Er <sc. dieser Anspruch> ist auch unnötig, weil der Entleiher Schadensersatz aus Vertrag (§ 280 I) und aus Delikt (§ 823 I) schuldet.

Aber Achtung: Einmal habe ich mir im Klausurenkurs mit der Prüfung des nicht so berechtigten Besitzers in einer vergleichbaren Konstellation die Randbemerkung „abwegig“ kassiert. Und das, obwohl in der „Vorlageklausur“ (Sachverhalt hier) in der Lösung (hier) folgendes stand:

II. Anspruch des H gegen T aus §§ 989, 990 I 1 BGB
– Eine Vindikationslage besteht nicht, da T die Gläser entliehen hatte      (§ 598 BGB) und der Verein daher ein Recht zum Besitz hatte

Anmerkung: Bessere Bearbeiter können hier auf die Figur des „nicht so berechtigten Besitzers“ eingehen und diese mit kurzer Argumentation ablehnen.

Und mit welchem Argument könnte man dann überzeugend die Konstruktion ablehnen? Dazu Lorenz/Neuner:

Argument: die durch §§ 987 ff. beabsichtigte Privilegierung des gutgläubigen unrechtmäßigen Besitzers paßt schon für den unrechtmäßigen Fremdbesitzer nicht uneingeschränkt, daher erst recht nicht für den berechtigten Fremdbesitzer;

Leicht zu merken ist auch das folgende von Lorenz/Neuner genannte Argument:

zudem dürfen Haftungsprivilegien des berechtigten Besitzers (z.B. §§ 558 I, 606) durch §§ 987 ff. nicht unterlaufen werden (Medicus, BR Rz. 582).

Mein Tipp daher: Die Konstruktion des „nicht so berechtigten Besitzers“ ansprechen, dann aber relativ schnell ablehnen.

P.S. Dieser Beitrag entspringt nicht dem Frust über die abwegige Randbemerkung „abwegig“ ;-).

3 comments

  1. Niklas sagt:

    Es dürfte § 548 statt § 558 gemeint sein.

    • klartext-jura sagt:

      Vielen Dank für diesen Hinweis zum Lorenz/Neuner-Zitat. Die Autoren beziehen sich auf § 558 BGB i.d.F. bis zum 01.01.2002. Die heute relevante Norm ist in der Tat § 548 BGB.

  2. Melis sagt:

    In einer vergleichbaren Konstellation im Klausurenkurs wurden mir die (kurzen)Ausführungen zu dieser Problematik in rot durchgestrichen 😀 also sind Sie nicht die einzige die von solchen Korrektoren betroffen war 😀

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