Heute möchte ich den Beitrag von Sebastian Homeier in der JuS 2015, S. 230ff betrachten. Es handelt sich um eine Anfängerklausur im Zivilrecht mit Lösungsvorschlag.
Zunächst ein Blick in die für uns entscheidende Passage des Sachverhalts, S. 230:
[…] P, der beruflich als Arzt tätig ist und gerade auf dem Weg zu einem Hausbesuch bei einem Patienten ist, erkennt die Lage. […] Daher versorgt P nun den um Hilfe rufenden M. Dieser hat zwar relativ starke Schmerzen, aber keine schwerwiegenden Verletzungen. M hat auf Grund der Attacke des B lediglich einige Prellungen und Schürfwunden davongetragen, die P mit einer Wundsalbe versorgt.
Die Frage ist nun, ob P Ersatz für die verbrauchte Salbe und Behandlungskosten geltend machen kann. Zunächst muss an einen vertraglichen Anspruch gedacht werden. Dazu führt Homeier in der gutachterlichen Vorüberlegung auf S. 231 aus:
Bei der Prüfung von Ansprüchen des P gegen M ist ein vertraglicher Anspruch in Betracht zu ziehen. Zu erkennen ist hierbei, dass ein Arztvertrag als Dienstvertrag einzuordnen ist.
In der Fall-Lösung auf S. 232 schreibt er dann:
P könnte ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit und den Einsatz der Salbe gem. § 611 I gegenüber M zustehen. Der Arztvertrag stellt ein dienstvertragliches Schuldverhältnis dar, da der Arzt nur zur Behandlung aber nicht zur Herbeiführung eines Erfolgs verpflichtet ist.
Ist das wirklich richtig so?
Schauen wir in Fußnote, in der Homeier seine These belegt, dass der Arztvertrag als Dienstvertrag einzuordnen sei:
BGHZ 76, 259 (261) = NJW 1980, 1452 (1453); MüKoBGB/Müller-Glöge, 6. Aufl. 2012, § 611 Rn. 79.
Warum ist dieser Beleg historisch? Im BGBl I vom 25.02.2013 lesen wir in Artikel 1, dass der Gesetzgeber den Behandlungsvertrag in § 630a BGB normiert hat. Also schauen wir uns § 630a BGB an:
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.
(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.
Richtigerweise hätte hier der Arztvertrag also als Behandlungsvertrag qualifiziert und dementsprechend auch im Obersatz zitiert werden müssen. Der Behandlungsvertrag ist nämlich lex specialis zum Dienstvertrag, wie wir bei Angie Schneider in der JuS 2013, 104 nachlesen können:
Das Patientenrechtegesetz bestätigt mit Einfügung des Behandlungsvertrags im Titel 8 des Abschnitts 8 im Buch 2 des BGB („Dienstvertrag und ähnliche Verträge“) seine grundsätzliche Qualifikation als Unterfall des Dienstvertrags.
Das merken wir uns.
Update (27.08.2015):
Nun hat es auch die JuS gemerkt. Im Heft 9/2015 liest man im Mantel auf Seite 12 unter „Corrigenda“:
Zu Homeier, Anfängerklausur – Zivilrecht: Besonderes Schuldrecht – Undank ist der Welten Lohn, JuS 2015, 230 (232): Als Spezialform des Dienstvertrags ist der Behandlungsvertrag einschlägig. Demnach ergibt sich die zu prüfende Anspruchsgrundlage auf Zahlung aus § 630a I BGB. Die inhaltliche Prüfung wird davon allerdings nicht beeinflusst. Die Klausur war zu einer Zeit gestellt worden, als § 630a BGB noch nicht eingeführt war.
Bleibt nur zu hoffen, dass in der Online-Ausgabe der JuS eine Korrektur der Anspruchsgrundlage vorgenommen wird.
Schreibe einen Kommentar