In der JuS 2014, 745ff bespricht Thomas Riehm in einer lesenswerten Urteilsbesprechung eine interessante bereicherungsrechtliche Konstellation.
Im Sachverhalt heißt es:
Die Kl. hatte als Bauträgerin einen Generalunternehmer mit der Errichtung einer Wohnanlage für 18,4 Millionen Euro zzgl. MwSt. beauftragt. In dem von der Kl. vorformulierten Generalunternehmervertrag wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft iHv 10 % der jeweiligen Auftragssumme eines Bauabschnitts „zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag“ zu stellen.
Der Ausgangspunkt stellt sich also wie folgt dar:
Die Klägerin ist Bauträgerin. Sie hat den Generalunternehmer beauftragt. Dabei wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft zu stellen. Wie in allen in Klausuren zu prüfenden Fällen ergeben sich nun bei der Abwicklung Schwierigkeiten:
Es sind noch Bauleistungen im Wert von 2,7 Millionen Euro offen. Für diese hatte der Generalunternehmer der Kl. eine entsprechende Bürgschaft der im vorliegenden Rechtsstreit beklagten Bank ausgehändigt. Die Kl. verlangt von der Bank Zahlung von 10 % der offenen Bauleistungen, also 270.000 Euro.
Weil der Generalunternehmer nicht alle Bauleistungen erfüllt hat, möchte die Klägerin nun von der Bank Zahlung erlangen, da diese eine Bürgschaft für den Generalunternehmer gestellt hat.
Schauen wir uns die Konstellation zuerst in einem Schaubild an:
Bei der Einführung in die Probleme des Falls schreibt Riehm nun auf Seite 746:
Wurde die Bürgschaft jedoch infolge der Unwirksamkeit der entsprechenden Verpflichtung ohne Rechtsgrund bestellt, kann der Generalunternehmer diese gem. § 812 I 1 Var. 1 BGB zurückverlangen. Auch Zahlungen auf die Bürgschaft hätte die Bank „auf Grund des (rechtsgrundlos) erlangten Rechts“ iSv § 818 I BGB erlangt und müsste sie dementsprechend herausgeben.
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist, dass die Bürgschaft ohne Rechtsgrund bestellt wurde, da die Verpflichtung, diese zu stellen, mit AGB-Recht unvereinbar ist. Der Hintergrund muss uns aber nicht interessieren, weil Riehm diesen als nicht examensrelevant bezeichnet:
Der Streit vor dem BGH entzündet sich an einer Spezialfrage des privaten Baurechts, die nicht zum Examensstoff zählt.
Für uns geht es hier nur um die Frage, wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgt. Einleuchtend ist, dass der Generalunternehmer die Bürgschaft nach § 812 I 1 Var. 1 BGB zurückverlangen kann, wenn diese ohne Rechtsgrund bestellt wurde. Ich stolpere aber immer wieder über den dann folgenden Satz:
Auch Zahlungen auf die Bürgschaft hätte die Bank „auf Grund des (rechtsgrundlos) erlangten Rechts“ iSv § 818 I BGB erlangt und müsste sie dementsprechend herausgeben.
Danach wären Zahlungen auf die Bürgschaft erfolgt, die die Bank dann erlangt hätte. Die Bank hat aber doch die Bürgschaft gestellt? Meiner Meinung nach müsste es richtigerweise heißen:
Auch Zahlungen auf die Bürgschaft hätte die Klägerin (Bauträgerin) „auf Grund des (rechtsgrundlos) erlangten Rechts“ iSv § 818 I BGB erlangt und müsste sie dementsprechend herausgeben.
Weil aber das gedruckte Wort eines Professors eine starke psychologische Wirkung erzeugt, rätselt man doch eine ganze Weile, bevor man es wagt, eine alternative Deutung vorzuschlagen. Streng genommen rätsele ich immer noch …
Ic hätte jetzt angenommen, dass der (Haupt-)Schuldner, hier also der Generalunternehmer, auf den Rückgriffsanspruch (§§ 670, 675 BGB) des Gläubigers (hier also der Bank), geleistet hat, bzw. aufgrund des Forderungsübergangs nach § 774 BGB, bzw. nach § 775 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Mit dem Eintritt des Bürgschaftsfall und der Zahlung(sverpflichtung) des Bürgen an den Gläubiger ist der Schuldner seiner Schuld ja nicht ledig.
Das kann man, finde ich, durchaus als „Zahlungen auf die Bürgschaft“ bezeichnen.
(Disclaimer: 1. Ich habe mir den Fall nicht über den Blogeintrag hinaus näher angesehen. 2. Von Zivilrecht verstehe ich nicht viel.)
Vielen Dank für die Anregung – so könnte man den Satz möglicherweise verstehen. Ich glaube aber, dass der Autor diese Lesart nicht gemeint hat, denn er schreibt im Sachverhalt: „Der Generalunternehmer hat das Bauvorhaben nicht fertiggestellt und ist inzwischen insolvent.“ Das hätte ich noch hinzufügen sollen. Ich werde mal den Autor fragen, vielleicht hilft er bei der Aufklärung 🙂
Sehr geehrte Frau Herberger,
natürlich haben Sie Recht mit Ihrer Deutung – es wäre die Bauträgerin, die die Zahlung der bürgenden Bank ohne Rechtsgrund erlangt hätte. Es tut mir Leid, dass es die Personenverwechslung trotz mehrfacher Kontrolllektüren in die gedruckte JuS geschafft und Ihnen Verwirrung bereitet hat.
Herzliche Grüße
Thomas Riehm