Archiv für Mai 2015

Blue-pencil-Test

In der JuS 2015, 299ff schreiben Alexander Stöhr und Torben Illner über die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen. Dazu heißt es auf Seite 301:

Als weiterer „Rettungsanker“ kommt der sog. Blue-pencil-Test in Betracht.

Danach beschreiben die Autoren, was rechtlich unter diesem Blue-pencil-Test zu verstehen ist:

Hier wird geprüft, ob sich die Regelungen sowohl sprachlich als auch inhaltlich trennen lassen und der unwirksame Teil der Klausel derart aus dieser gestrichen werden kann, dass der verbleibende Teil für sich genommen sinnvoll und sprachlich verständlich ist.

Dann wird beschrieben, in welchen Fällen der Blue-pencil Test möglich/unmöglich ist:

Dies kommt häufig bei zweistufigen Ausschlussfristen in Betracht, da diese naturgemäß teilbar sind. Im Übrigen bleibt auch dieser Ausweg zumeist verschlossen, da in der Praxis selten auf eine sprachliche Trennbarkeit der verschiedenen Regelungen geachtet wird und hierzu nicht selten regelrechte Formulierungskünste erforderlich wären.

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Zuständigkeitsverteilung zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten und EuGH: Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis

Cathrin Mächtle schreibt in der JuS 2015, 314 (315):

Die Prüfung der Erforderlichkeit und Erheblichkeit einer Vorlage obliegt dem mitgliedstaatlichen Gericht und ist der Nachprüfung durch den EuGH entzogen.

Wir halten fest: (1) Die Prüfung der Erforderlichkeit und Erheblichkeit einer Vorlage ist der Nachprüfung durch den EuGH entzogen.

Im darauf folgenden Satz heißt es dann:

Im Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit untersucht der EuGH nur, ob die Fragen zu allgemeiner oder rein hypothetischer Natur sind, keinen Zusammenhang mit der Realität aufweisen oder ihre Beantwortung offenkundig nicht für das Verfahren erforderlich wäre.

Daraus folgt: (2) Der EuGH untersucht u.a., ob die Beantwortung der Fragen offenkundig nicht für das Verfahren erforderlich wäre.

Zwischen (1) und (2) besteht ein logischer Widerspruch. In (1) wird dem EuGH die Prüfung der Erforderlichkeit abgesprochen. In (2) wird eine Erforderlichkeitsprüfung für den EuGH bejaht. Wie können wir diesen Widerspruch auflösen?

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Versuchsbeginn und die Teilverwirklichungslehre

Heute ein Beispiel dafür, worauf man bei der Prüfung des Versuchsbeginns in einer Strafrechtsklausur achten sollte. Manuel Ladiges schreibt dazu in der JuS 2014, 1095 (1097):

H muss iSv § 22 unmittelbar zum Betrug angesetzt haben. Dies könnte vor dem Hintergrund, dass sie erst am Folgetag den Kaufpreis von A erhalten sollte, zweifelhaft sein. Allerdings setzt der Täter stets unmittelbar an, wenn er bereits einen Teilakt des objektiven Tatbestands verwirklicht hat. Dies ist der Fall, denn H hat bereits die Täuschungshandlung gegenüber A vorgenommen.

Für diese These zum Versuchsbeginn bezieht sich Ladiges u.a. auf Rengier, Strafrecht AT, 2013, § 34 Rn. 29. Dort heißt es aber nicht so, wie Ladiges formuliert, sondern:

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Haftung = Haftung?

In der JA 2014, 819ff stellen Bertl und Lotte eine Hausarbeit mit dem Titel „Urlaub mit Hindernissen“ vor.

Im Sachverhalt, S. 820, heißt es:

Im Zeitpunkt der Buchung war V noch nicht als GmbH im Handelsregister eingetragen, jedoch war der Gesellschaftsvertrag bereits wirksam abgeschlossen. Inzwischen weist das Handelsregister aber V als GmbH aus.

Um den Fall weiter verfolgen zu können, sollten die verschiedenen Gründungsphasen auf dem Weg zur GmbH unterschieden werden. Dazu lesen wir bei Körber/Kliebisch in der JuS 2008, 1041 (1042):

[…]

(1) Vorgründungsgesellschaft bis zur notariellen Beurkundung,

(2) Vor-GmbH zwischen Beurkundung und Eintragung,

(3) „fertige” GmbH ab Eintragung […]

Auf Seite 820f prüfen Bertl/Lotte dann Ansprüche gegen V. Da heißt es:

Fraglich ist aber, ob V wirksam Vertragspartner geworden ist. […] V wandelt sich im Zeitpunkt des Abschluss des Gesellschaftsvertrags von einer Vorgründungsgesellschaft in eine Vor-GmbH, die als Vereinigung sui generis einzuordnen ist. Diese kann bereits Träger von Rechten und Pflichten sein. […] Nach heutiger Rspr. ist jedoch von der Identität zwischen GmbH und Vor-GmbH auszugehen. Die GmbH übernimmt daher alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH.

Wir halten also fest: Nach der zwischenzeitlich erfolgten Eintragung in das Handelsregister ist die GmbH entstanden und übernimmt alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH. Die Autoren prüfen also Ansprüche gegen die jetzt bestehende GmbH.

Auf Seite 825 wird der Frage nachgegangen, ob auch G, ein Gesellschafter der GmbH, in Anspruch genommen werden kann. Im Einleitungssatz steht:

Als Gesellschafter der V könnte G für diesen [richtig wohl: diese, M.H.] zu haften haben. Grundsätzlich haften Gesellschafter gemäß § 13 II GmbHG nicht mit ihrem Privatvermögen. Als Haftungsmasse steht den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung. Eine Ausnahme könnte jedoch für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH gelten.

Die Autoren beschreiben also das Trennungsprinzip und gehen im Anschluss daran denkbare Ausnahmen durch (S. 825f):

I. Handelndenhaftung, § 11 II GmbHG

[…]

II. Persönliche Haftung der Gesellschafter

[…]

1. Keine persönliche Haftung

[…]

2. Unbeschränkte persönliche Außenhaftung

[…]

3. Anlehnung an Kommanditistenhaftung

[…]

4. Differenzhaftung

Dann wird die Differenzhaftung näher erläutert (S. 826):

Um Unbilligkeiten zu vermeiden, sei ein Haftungsgleichlauf vor und nach der Eintragung der GmbH unabdingbar. Diese spaltet sich in eine Verlustdeckungshaftung vor Eintragung der GmbH und eine Differenzhaftung nach Eintragung der GmbH auf. Mit der Eintragung erlischt also die Verlustdeckungshaftung und die Differenz- bzw. Vorbelastungshaftung entsteht.

Stachel-BlumeWir halten fest:

– Vor Eintragung der GmbH: Verlustdeckungshaftung

– Nach Eintragung der GmbH: Differenzhaftung/Vorbelastungshaftung

(Die Begriffe „Verlustdeckungshaftung“ und „Vorbelastungshaftung“ kann man schnell verwechseln. Ich merke mir das so: Die Begriffe sind in ihrer alphabetischen Reihenfolge vor/nach Eintragung der GmbH heranzuziehen.)

Jetzt wird die Differenzhaftung weiter charakterisiert:

Diese Haftung [Differenzhaftung, M.H.] ist jedoch als reine Innenhaftung ausgestaltet, sodass sich die Gläubiger ausschließlich an die GmbH wenden können. […] Der BGH lässt nur dann ausnahmsweise eine Durchgriffshaftung zu, falls die GmbH vermögenslos ist, eine Ein-Mann-GmbH vorliegt oder nur ein Gläubiger existiert.

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