Heute soll es um die Frage gehen, was unter „allgemein zugänglich“ zu verstehen ist, ein Begriff, der in verschiedenen Rechtsgebieten eine Rolle spielt. Ausgangspunkt dafür ist ein Zitat aus dem Lehrbuch „Datenschutzrecht“ von Kühling/Seidel/Sivridis (2. Auflage 2011), S. 144 zu § 28 I 1 Nr. 3:
Eine Informationsquelle ist allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.
In der Fußnote 322 wird dann auf BVerfGE 27, 71 (83) verwiesen. Was fällt bei dem Zitat auf?
Die Autoren schreiben, dass die Allgemeinheit ein individuell bestimmbarer Personenkreis sei. Das Bundesverfassungsgericht definiert indes, BVerfGE 27, 71 (83) – zu Art. 5 I 1 Fall 2 GG:
c) Die Informationsfreiheit ist verfassungsrechtlich nur dann gewährleistet, wenn die Informationsquelle allgemein zugänglich ist.
Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Informationsquelle technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.
(Hervorhebung nicht im Original)
In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts steht genau das Gegenteil: Die Allgemeinheit ist ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis.
Wir sehen: Ein kleines Versehen mit großer Wirkung.
Gleichzeitig wird aber auch ein weiterer Aspekt deutlich. Die Frage, was unter allgemeiner Zugänglichkeit zu verstehen ist, taucht in verschiedenen Kontexten auf. Einmal gelernt, kann die Definition vielfach verwendet werden, gewissermaßen ein Fall von „reusability“.
Um es zu rekapitulieren:
– § 28 I 1 Nr. 3 BDSG
(1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig
3. wenn die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt.
(und an weiteren Stellen im BDSG)
– Art. 5 I 1 Fall 2 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Damit wäre man damit zum Beispiel auch für Klausuren gewappnet, in denen der Begriff der „allgemeinen Zugänglichkeit“ in den Informationsfreiheitsgesetzen eine Rolle spielt. Dazu ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen. Die entsprechende Bestimmung in § 5 Abs. 4 IFG NRW lautet:
(4) Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn die Information der Antragstellerin oder dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
Dazu hat das VG Gelsenkirchen, 26.09.2014, 17 K 944/14 (Rn. 26, juris) judiziert:
Die vom Beklagten insoweit genannte kontoführende Bank bzw. der Steuerberater der Insolvenzschuldnerin sind ersichtlich nicht dazu bestimmt, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu beschaffen und damit keine allgemein zugänglichen Quellen.
Man sieht: Die vertraute Definition ist eingearbeitet.
So kann man ökonomisch lernen. Aber Vorsicht: Wenn eine andere Legaldefinition auftaucht, muss man diese natürlich beachten wie zum Beispiel in § 10 V 2 BDSG:
Allgemein zugänglich sind Daten, die jedermann, sei es ohne oder nach vorheriger Anmeldung, Zulassung oder Entrichtung eines Entgelts, nutzen kann.
Schreibe einen Kommentar