Bei David Anders in der JuS 2015, 604 in dem Aufsatz „Der Umfang der Rechtmäßigkeitsprüfung im Baugenehmigungsverfahren“ lesen wir:
Eine bauliche Anlage ist jede mit dem Erdboden fest verbundene oder aus eigener Kraft darauf stehende, aus Bauprodukten hergestellte Anlage (vgl. zB § 2 I 1 und 2 SächsBO). Für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und das (volle) Baugenehmigungsverfahren bedarf es zudem einer bodenrechtlichen Relevanz des Bauvorhabens nach § 29 I BauGB.
Anders weist uns also darauf hin, dass in den Landesbauordnungen eine Legaldefinition der baulichen Anlage zu finden ist.
(Aktuell in allen Bundesländern in § 2 der jeweiligen Landesbauordnung, vgl dazu bei Saarheim – LBO).
Außerdem schreibt Anders, dass im Rahmen von § 29 I BauGB zusätzlich („zudem“) zu der aus der SächsBO übernommenen Definition eine bodenrechtliche Relevanz nach § 29 I BauGB erforderlich sei. Damit wird de facto der landesrechtliche Begriff der baulichen Anlage in der Prüfung von § 29 I BauGB weiterverwendet und das ist problematisch.
Bei Wassermann, Baurecht Baden-Württemberg, 2011, Rn. 210 wird vor solch einer Vorgehensweise gewarnt:
Definieren Sie die bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB auf keinen Fall, indem Sie auf den Begriff der baulichen Anlage des § 2 Abs. 1 LBO abstellen. In Prüfungsarbeiten wird ein Korrektor diesen Fehler als gravierend ansehen. Verschenken Sie keine Punkte!
Jetzt fehlt uns nur noch die Begründung, warum wir im Rahmen des § 29 I BauGB für den Begriff der baulichen Anlage nicht auf den landesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage zurückgreifen dürfen. Dazu heißt es im Urteil des BVerwG, 31.08.1973, IV C 33.71, Rn. 19, juris:
Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist im Vergleich zu den entsprechenden Begriffen des Bauordnungsrechts nicht schlechthin der weitere, sondern – was selbstverständlich eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung nicht ausschließt – ein im Verhältnis zu ihnen eigenständiger und insofern vom Landesrecht unabhängiger (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1971 – BVerwG IV C 33, 34, 35.69 – (BVerwGE 39, 154 = Buchholz 406.11 § 15 BBauG Nr. 2 = BRS 24 Nr. 149)).
Damit haben wir bereits ein erstes Argument kompetenzrechtlicher Natur. Das Bundesverwaltungsgericht zieht zudem die unterschiedlichen Zielsetzungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts heran:
Dies folgt vor allem daraus, daß die Zweckrichtung und Zielsetzung des (bundesrechtlichen) Bauplanungsrechts und des (landesrechtlichen) Bauordnungsrechts in wesentlichen Faktoren verschiedene sind:
Einmal geht es um die Frage, ob ein Vorhaben für die städtebauliche Entwicklung erheblich und deshalb materiell Vorschriften des Bodenrechts zu unterwerfen ist, andererseits geht es darum, ob es sich um ein Vorhaben handelt, das im allgemeinen Interesse nicht ohne Beachtung gewisser ordnungsrechtlicher Vorschriften ausgeführt werden soll.
Diese Unterschiedlichkeit in der Zielsetzung schließt – wie bereits betont – nicht aus, daß die Begriffe der baulichen Anlage, wo immer das (Bau)Recht sie verwenden mag, im wesentlichen übereinstimmen. Die Tatsache, daß etwas, das nach Landesrecht unter den Begriff der baulichen Anlage fällt, in aller Regel auch den bundesrechtlichen Begriff erfüllen wird, rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß dies immer so sein müsse.
Die grundsätzliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Begriffe ergibt vielmehr, daß sie sich zueinander wie zwei sich schneidende Kreise verhalten, daß also auch der Fall denkbar ist, daß der bundesrechtliche Begriff hinter dem bzw. den landesrechtlichen Begriff(en) zurückbleibt.
Damit können wir festhalten: Wenn wir in einer Klausur oder Hausarbeit den Begriff der baulichen Anlage im Rahmen von § 29 I BauGB definieren, so greifen wir nicht auf die Legaldefinition in der Landesbauordnung zurück.
Für die Frage, wie wir den Begriff der baulichen Anlage bei § 29 I BauGB darstellen sollten, verweise ich auf meinen Blog-Eintrag vom 05.06.2015.
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