§ 14 Abs. 1 HeimG: Augen auf beim Landesrecht!

Ute Brenneisen, Familien- und Erbrecht, 3. Auflage 2015, Rn. 333 schreibt:

Ein Verstoß gegen § 14 HeimG und damit eine Nichtigkeit nach § 134 liegt vor, wenn der durch eine letztwillige Verfügung Bedachte ein Pflegeheim oder ein Pfleger ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG untersagt dem Heimträger u.a., sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Die Vorschrift des § 14 HeimG ist geschaffen worden, weil bei einem Heimbewohner das Risiko hoch ist, dass die Verfügung von Todes wegen nicht auf einem freien Willensentschluss des Erblassers beruht. In diesem Fall verstößt die letztwillige Verfügung gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134.

Betrachten wir also § 14 Abs. 1 HeimG:

Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Bewerberinnen und Bewerbern um einen Heimplatz Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

Aber können wir § 14 Abs. 1 HeimG heute noch anwenden?

Dazu schreibt Bettina Karl, ZEV 2009, 544:

Seit der Änderung des Grundgesetzes zum 1. 9. 2006 können die Länder eigene Regelungen auf dem Gebiet des Heimrechts schaffen oder aber auf ihre Ersetzungsbefugnis verzichten. Letzteres hätte zur Folge, dass das bisherige Heimgesetz des Bundes (HeimG) als Bundesrecht fortgelten würde und nicht etwa als nunmehriges Landesrecht. Auf der anderen Seite ist der Bundesgesetzgeber befugt, das von ihm erlassene Recht aufzuheben, um ein dauerhaftes Nebeneinander von Landes- und partiellem Bundesrecht zu vermeiden.

Hintergrund sind Art. 74 Abs. 1 Nr. 7:

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

[…]

7. die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);

und Art. 125a Abs. 1:

Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 74a, 75 oder 98 Abs. 3 Satz 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden.

Schauen wir also mal, welche Bundesländer von der ihnen eingeräumten Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht haben.

– Baden-Württemberg: Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG)

§ 16 Verbot der Leistungsannahme in stationären Einrichtungen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften

(1) Dem Träger einer stationären Einrichtung und dem Anbieter einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Platz in stationären Einrichtungen oder ambulant betreuten Wohngemeinschaften Geldleistungen oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte oder zu vereinbarende Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Bayern: Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz – PfleWoqG)

ART. 8 LEISTUNGEN AN TRÄGER UND BESCHÄFTIGTE

(1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder Bewerberinnen und Bewerbern um einen Platz in der stationären Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Berlin: Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen (Wohnteilhabegesetz – WTG)

§ 12 – Geld- oder geldwerte Leistungen an Leistungserbringer und eingesetzte Personen

(1) Dem Leistungserbringer ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Nutzerinnen und Nutzern oder von Bewerberinnen und Bewerbern um den Abschluss eines Pflege- und Betreuungsvertrages Geld- oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen, die über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinausgehen. […]

– Brandenburg: Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Pflege- und Betreuungswohngesetz – BbgPBWoG)

§ 14 Zusätzliche Leistungen an Leistungsanbieter und Beschäftigte

(1) Dem Leistungsanbieter einer Einrichtung ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Bewerberinnen und Bewerbern um einen Platz in der Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen, die über das unter Einhaltung der zivilrechtlichen Bestimmungen vertraglich vereinbarte Entgelt hinausgehen. […]

– Bremen: Gesetz zur Sicherstellung der Rechte von Menschen mit Unterstützungs-, Pflege- und Betreuungsbedarf in unterstützenden Wohnformen (Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz – BremWoBeG)

§ 20 Zusätzliche Leistungen an den Unternehmer und dessen Beschäftigte

(1) Dem verantwortlichen Leistungsanbieter ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern seines Wohn- und Betreuungsangebotes oder den Interessentinnen und Interessenten Geld oder geldwerte Leistungen über das hinaus versprechen oder gewähren zu lassen, was nach den Vorschriften des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vereinbart ist.

[…]

– Hamburg: Hamburgisches Gesetz zur Förderung der Wohn- und Betreuungsqualität älterer, behinderter und auf Betreuung angewiesener Menschen (Hamburgisches Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz – HmbWBG)

§ 5a Verbot der Annahme von Leistungen

(1) Betreibern von Wohneinrichtungen, Gasteinrichtungen und ambulanten Diensten ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Nutzerinnen und Nutzern oder Bewerberinnen und Bewerbern um einen Platz in einer Wohneinrichtung oder Gasteinrichtung Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Hessen: Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP)

§ 7 Leistungen an die Betreiberin oder den Betreiber und Beschäftigte

(1) Der Betreiberin oder dem Betreiber und den Beschäftigten einer Einrichtung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewerberinnen und Bewerbern um einen Betreuungs- oder Pflegeplatz oder für die Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen Geld- oder geldwerte Leistungen über das in dem Mustervertrag nach § 10 Abs. 3 vorgesehene Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Satz 1 gilt entsprechend für bestehende Vertragsverhältnisse mit der Maßgabe, dass das Verbot auch für ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und für die Betreuung und Pflege durch vermittelte Pflegekräfte gilt.

[…]

– Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz zur Förderung der Qualität in Einrichtungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung sowie zur Stärkung ihrer Selbstbestimmung und Teilhabe (Einrichtungenqualitätsgesetz – EQG M-V)

§ 6 Leistungen an Träger und Beschäftigte

(1) Dem Träger, der Leitung und den Beschäftigten sowie allen weiteren in der Einrichtung tätigen Personen ist es untersagt, sich von oder zu Gunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Platz in der Einrichtung nach § 2 Absatz 1 oder 2 Geld- oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Niedersachsen: Niedersächsisches Heimgesetz (NHeimG)

§ 1 Geltungsbereich

(1) 1 Dieses Gesetz gilt für Heime (Absatz 2) in Niedersachsen. 2 Heime im Sinne dieses Gesetzes sind auch

1. nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaften (Absatz 3), ausgenommen die Wohngemeinschaften nach Absatz 4, und

2. die in Absatz 5 aufgeführten Formen des betreuten Wohnens.

3 Dieses Gesetz ersetzt das Heimgesetz in der Fassung vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2970), zuletzt geändert durch Artikel 3 Satz 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2319), mit Ausnahme der §§ 14, 21 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 des Heimgesetzes.

[…]

– Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG)

§ 11 Verbot der Annahme von Leistungen

(1) Dem Träger, der Leitung und den Beschäftigten einer Einrichtung im Sinne des § 4 oder des § 5 ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder Bewerberinnen und Bewerbern für einen Platz in der Einrichtung Geldleistungen oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt oder die vom Träger an die Leitung oder die Beschäftigten erbrachte Vergütung hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Saarland: Saarländisches Gesetz zur Sicherung der Wohn-, Betreuungs- und Pflegequalität für ältere Menschen sowie pflegebedürftige und behinderte Volljährige (Landesheimgesetz Saarland – LHeimGS)

§ 8 Leistungen an Träger und Beschäftige

(1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Bewerberinnen oder Bewerbern um einen Platz in der stationären Einrichtung Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Sachsen: Gesetz zur Regelung der Betreuungs- und Wohnqualität im Alter, bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Freistaat Sachsen

§ 7 Leistungen an Träger und Beschäftigte

(1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Platz in der stationären Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Sachsen-Anhalt: Gesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt (Wohn- und Teilhabegesetz – WTG LSA)

§ 15 Verbot der Leistungsannahme

(1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder Bewerberinnen und Bewerbern um einen Platz in der stationären Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

– Schleswig-Holstein: Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und
Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung
(Selbstbestimmungsstärkungsgesetz – SbStG)
Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein – Zweites Buch

§ 28 Leistungen an Träger und Beschäftigte

(1) Der Träger darf sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder Bewerberinnen oder Bewerbern um einen Platz in der Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte oder zu vereinbarende Entgelt hinaus nicht versprechen oder gewähren lassen.

[…]

– Thüringen: Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe
(Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz – ThürWTG -)

§ 12 Verbot der Annahme von Leistungen

(1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Platz in der stationären Einrichtung Geld oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

[…]

Eine Übersicht über die landesrechtlichen Regelungen findet sich auch bei Kroiß, in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 2015, 12. Heimgesetz (HeimG), Rn. 10. Laut Fn. 44 orientiert man sich dort an „Lydyga, ZEV 2014, 177“. Gemeint ist Ludyga, ZEV 2014, 177 (178).

Kroiß nennt:

– Baden-Württemberg

– Bayern

– Berlin

– Brandenburg

– Bremen

– Hamburg

– Mecklenburg-Vorpommern

– Nordrhein-Westfalen

– Rheinland-Pfalz

– Saarland

– Sachsen-Anhalt

– Schleswig-Holstein

Warum hier nur 12 Bundesländer genannt werden bleibt offen. Ludyga nennt in der ZEV 2014, 177 (178) zusätzlich

– Hessen

– Niedersachsen

– Sachsen

TürIn Bezug auf Thüringen spricht Ludyga von einem Gesetzesentwurf. Kroiß hätte hier 2015 bereits das Thüringer Gesetz zitieren können, denn es stammt vom 10. Juni 2014.

Auch im Alpmann-Skript „Erbrecht“ von Claudia Haack, Rn. 122, fehlt 2015 noch Thüringen, was wohl daran liegt, dass sie sich für die landesrechtlichen Normen auf Frank/Helms von 2013 bezieht.

In dem Alpmann-Fall-Skript „Erbrecht“ von Claudia Haack aus dem Jahr 2012 (ein aktuelleres Fall-Skript existiert noch nicht) werden auf Seite 135 die landesrechtlichen Vorschriften gar nicht erwähnt.

Wir merken uns: Bevor wir § 14 Abs. 1 HeimG anwenden, berücksichtigen wir die jeweils klausurrelevante landesrechtliche Regelung.

Ein Kommentar

  1. […] die möglicherweise einer Anwendung von § 14 HeimG entgegensteht (vgl. zu diesem Thema hier im Blog). Auf Seite 233 wird noch das nicht mehr existierende FGG […]

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