Archiv für November 2015

Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden

Es gibt Sätze, die jeder Jura-Studierende einmal in einer Klausur niederschreiben muss. Dazu gehört sicherlich auch das Thema „Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden“.

Christian Thomas formuliert dazu in der JA 2015, 366 so:

Gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG ist das Bundesverfassungs­gericht für die Verfassungsbeschwerde zuständig.

Kerber/Spethmann/Starbatty/Stauffenberg, Der Kampf um den Lissabon-Vertrag, 2010, S. 314 schreiben hingegen wie folgt:

Das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90, 92ff BVerfGG für Individualverfassungsbeschwerden zuständig.

Die Frage, die sich uns nun stellt: Welche Variante eignet sich für unsere Klausuren? Zunächst sollten wir die Unterscheide zwischen den beiden Normzitaten herausarbeiten. Dabei handelt sich um zwei Unterschiede. Welche?

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Körperlichkeitstheorie vs Geistigkeitstheorie

Henning Ernst Müller und Annemarie Schmoll schreiben in der JA 2015, 511 (512):

Unecht ist die Urkunde dann, wenn sie nicht von dem herrührt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht (Fischer aaO StGB § 267 Rn. 27; Rengier BT II aaO § 33 Rn. 5). P geht als der Aussteller aus der Quittung hervor, jedoch hat er sie tatsächlich nicht selbst erstellt oder veranlasst. Es wird damit ein falscher Eindruck über die Person des Ausstellers erweckt und es scheint, als sei die Erklärung P zurechenbar. Folglich ist die Quittung eine unechte Urkunde.

Was fällt bei dieser Lösung auf?

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Abgrenzung Raub / Erpressung – Wie macht das der BGH?

buntDie Abgrenzung von Raub (§ 249 I StGB) und Erpressung (§ 253 I StGB) ist ein Klausur-Klassiker. In meiner Strafrechts-Klausur im Examen war dies ein Teilaspekt, der bearbeitet werden musste. Da in Klausuren im Strafrecht erfahrungsgemäß wenig Zeit zur Verfügung steht, sollte man an solchen „erwarteten Stellen“ fast automatisiert reagieren. Zur Einstimmung kann ein Zitat von Winkler in der RÜ 2014, 639ff dienen, das genauer betrachtet werden soll.

Seite 640:

Nach Auffassung des BGH schließen sich Raub und Erpressung dagegen nicht tatbestandlich aus, sondern stehen in einem Inklusivitätsverhältnis.

Hier sollte man möglicherweise mit dem Begriff „Inklusivitätsverhältnis“ vorsichtig sein, denn diesen verwendet der BGH nicht.

Weiter im Text bei Winkler:

Die Abgrenzung sei lediglich nach dem äußeren Erscheinungsbild vorzunehmen.

Das entspricht der Formulierung des BGH, Beschluss vom 02.12.2010, 4 StR 476/10:

Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist nach st. Rspr. des BGH das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgebend […].

Die nun folgende Passage ist kritisch.

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Die Kunstfreiheit als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht

Die Grundrechte begleiten uns vom Anfang des Studiums bis hin zum Examen. Deshalb heute ein paar Worte zu der Fall-Lösung von Schmidt am Busch/Gregor in der JuS 2015, 37ff. Dort heißt es auf Seite 38 im Rahmen der gutachterlichen Vorüberlegungen:

Da die Kunstfreiheit des Art. 5 III 1 Var. 1 GG ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht ist, unterliegt sie lediglich verfassungsimmanenten Schranken, dh sie kann nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden, das den Schutz eines Verfassungsrechtsguts verfolgt.

In Fußnote 13 steht:

Näher Hufen, StaatsR II – Grundrechte, 4. Aufl. 2014, § 33 Rn. 27 ff.

In der Fall-Lösung selbst kann man dann auf Seite 40 lesen:

Bei Art. 5 III 1 Var.1 GG handelt es sich um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht, so dass die Kunstfreiheit lediglich verfassungsimmanenten Schranken unterliegt.

Herbst-ImpressionNatürlich ist das im Ergebnis richtig. Es ist aber zu befürchten, dass in einer Klausur-Lösung eine etwas ausführlichere Behandlung der Thematik erwartet wird.

Welche Überlegungen könnte man in einer Klausur kurz ansprechen, bevor man sich auf die verfassungsimmanenten Schranken beruft?

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Legt man Widersprüche wie Heringe ein?

Es gibt terminologische Feinheiten, die bei der Anfertigung eines Gutachtens beachtet werden sollten. Betrachten wir einige Formulierungen:

Nach § 70 I 2 VwGO kann der Widerspruch bei der Widerspruchsbehörde eingelegt werden, gemäß § 70 I 2 VwGO ist dies jedoch auch bei der Ausgangsbehörde möglich.

(Schmidt, Fallrepetitorium Allgemeines Verwaltungsrecht mit VwGO, 2014, S. 63)

– Fristdauer: Nach § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des VA einzulegen.

(Wittern, Baßlsperger, Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht, 2007, S. 513)

Innerhalb der Widerspruchsfrist kann erneut Widerspruch eingelegt werden.

(Ahrens in Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2009, Kapitel F, Rn. 128)

Was könnte – worst case – ein Korrektor in einer Klausur hier kritisieren?

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