Die Abgrenzung von Raub (§ 249 I StGB) und Erpressung (§ 253 I StGB) ist ein Klausur-Klassiker. In meiner Strafrechts-Klausur im Examen war dies ein Teilaspekt, der bearbeitet werden musste. Da in Klausuren im Strafrecht erfahrungsgemäß wenig Zeit zur Verfügung steht, sollte man an solchen „erwarteten Stellen“ fast automatisiert reagieren. Zur Einstimmung kann ein Zitat von Winkler in der RÜ 2014, 639ff dienen, das genauer betrachtet werden soll.
Seite 640:
Nach Auffassung des BGH schließen sich Raub und Erpressung dagegen nicht tatbestandlich aus, sondern stehen in einem Inklusivitätsverhältnis.
Hier sollte man möglicherweise mit dem Begriff „Inklusivitätsverhältnis“ vorsichtig sein, denn diesen verwendet der BGH nicht.
Weiter im Text bei Winkler:
Die Abgrenzung sei lediglich nach dem äußeren Erscheinungsbild vorzunehmen.
Das entspricht der Formulierung des BGH, Beschluss vom 02.12.2010, 4 StR 476/10:
Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist nach st. Rspr. des BGH das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgebend […].
Die nun folgende Passage ist kritisch.
Winkler, RÜ 2014, 639 (640):
Stelle sich das Geschehen als „Nehmen“ dar, liege eine Wegnahme vor. Eine Vermögensverfügung sei dagegen durch ein äußerliches „Geben“ gekennzeichnet.
Sagt der BGH das wirklich so?
BGH, 20.04.1995, 4 StR 27/95:
Erpressung bedeutet die erzwungene Preisgabe von eigenen oder fremden Vermögenswerten, deren Schutz der Genötigte wahrnehmen kann und will. Allerdings braucht diese Preisgabe – anders als beim Betrug – nicht in Form einer Vermögensverfügung zu erfolgen […].
Der BGH sagt also gerade, dass für eine Erpressung keine Vermögensverfügung erforderlich ist.
Beulke, Klausurenkurs im Strafrecht III, 2013, Rn. 696 stellt die Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung nach der Ansicht des BGH und der Literatur in einem Satz dar:
Während die Rspr auf das äußere Erscheinungsbild abstellt, das sich als Nehmen (dann Raub) oder als ein Geben (dann Erpressung) darstellen kann, grenzt die Literatur danach ob, ob eine „unfreiwillige“ Wegnahme vorliegt (dann Raub) oder ob auf Seiten des Opfers eine Vermögensverfügung erkennbar ist (dann Erpressung).
Wichtig ist also, dass der BGH für eine Erpressung keine Vermögensverfügung fordert. Im Rahmen der Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung nach Ansicht des BGH darf also der Begriff „Vermögensverfügung“ keine Rolle spielen, denn darauf kommt es für den BGH nicht an.
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