In der JuS 2009, 881 (884) schreiben Wolfgang Fleck und Stefan Arnold:
4. Ausdrückliche Bezugnahme auf den Sachverhalt
Mit stereotyper Regelmäßigkeit stellen viele Klausurbearbeiter klar, dass sie die Informationen, die sie unter Normen subsumieren, aus dem Sachverhalt beziehen. Einige lassen den Korrektor zum Beispiel wissen:
„Laut Sachverhalt schließen K und V am 3. 11. einen Kaufvertrag über das Auto”.
Oder sie beginnen – schlimmer noch – die Subsumtion mit dem Partizip „vorliegend”:
„Vorliegend schließen K und V einen Mietvertrag”.
Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie dies tun. Gibt es noch andere Informationsquellen außerhalb des Sachverhalts? Selbstverständlich nicht. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Sachverhalt ist also sinnlos, stilistisch unschön und kostet zudem nur Zeit.
Auch andere Autoren lieben die Wendung „laut Sachverhalt“ nicht:
Vermeiden Sie… überflüssige Wendungen, z.B. „Nun ist zu prüfen, ob…“, „laut Sachverhalt“ etc.!
(Holm Putzke, S. 1)
Der Sachverhalt ist dem Korrektor bekannt! Vermeiden Sie daher Zitate wie „laut Sachverhalt“ oder ähnliches!
(Christian Wienecke, Folie 21)
Ist dies das letzte Wort?
Allem Anschein nach nicht. Denn diese Unmutsbekundungen haben nicht dazu geführt, dass die Wendung „laut Sachverhalt“ aus den juristischen Ausbildungszeitschriften verschwunden ist:
Der Rechtsweg ist laut Sachverhalt erschöpft.
(Christian Thomas, JA 2015, 366 (367))
Laut Sachverhalt hat die Stadt zutreffend die TA Lärm
herangezogen, um zu prüfen, ob die von den Filmvorführungen
ausgehenden Geräusche zumutbar sind oder nicht.
(Benedikt Grünewald, JuS 2014, 1100 (1104))
Laut Sachverhalt war die Untersagung formell rechtmäßig.
(Bernd J. Hartmann und Johanna Zanger, JuS 2014, 829 (832))
A ist laut Sachverhalt Deutscher und daher beschwerdefähig.
(Katharina Stein, Nils J. Janson und Urs Pötzsch, JuS 2014, 708 (710))
Gleiches gilt für die Formulierung „vorliegend“:
Vorliegend stellt sich nicht die Frage eines Ersatzes des mangelbedingten Nutzungsausfallschadens.
(Marietta Pietrek und Jörg Domisch, JuS 2014, 624 (625))
Vorliegend richten sich Schadensersatzansprüche nach den §§ 280, 281, wenn man nicht von der Unmöglichkeit der Nacherfüllung ausgeht (s. o.).
(Michael Heese und Julian Rapp, JuS 2014, 719 (723))
Vorliegend handelt es sich um einen Anspruch aus § 433 II BGB und damit um einen vertraglichen Anspruch der V-GbR.
(Ricarda Lotte und Marco Bertl, JuS 2014, 339 (341))
Vorliegend hat K an H geleistet.
(Chris Thomale, JuS 2013, 1097 (1101))
Was tun? Vermutlich ist es klüger, auf „laut Sachverhalt“ oder „vorliegend“ zu verzichten, da offensichtlich manche Korrektoren hier hypersensibel reagieren würden. Aber was soll man in den Fällen tun, in denen der Sachverhalt ein juristisches Prüfungsergebnis außer Streit stellt? Das ist zum Beispiel bei Bernd J. Hartmann und Johanna Zanger der Fall, wo der Sachverhalt ausdrücklich mitteilte, dass die Untersagung „formell rechtmäßig“ war. Soll man da einfach schreiben „Die Untersagung war formell rechtmäßig“? Könnte da nicht jemand auf den Gedanken kommen, an den Rand zu schreiben „Woher wissen Sie das?“? Mindestens in solchen Konstellationen könnte man dem „laut Sachverhalt“ eine klarstellende Funktion beimessen. Ansonsten fällt aber wieder auf, dass – selbst wenn man „laut Sachverhalt“ für unschön hält – etwas mehr Liberalität angesagt wäre.
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