Hans Kudlich schreibt in der JA 2016, S. 793:
Mit dem am 4.12.2015 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellten Beschluss vom 2.12.2015 hatte das AG eine dem V gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten widerrufen. Mit einem erst am 14.12.2016 beim AG eingegangenen Schriftsatz legte V gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ihm der Beschluss erst „kurze Zeit“ vorliege.
Im Sinne der Übersichtlichkeit wird immer empfohlen, sich die Daten eines Falles in einer Art Zeitstrahl darzustellen, also:
02.12.2015: Beschluss über Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
04.12.2015: Zustellung des Beschlusses durch Einwurf in den Briefkasten
14.12.2016: Sofortige Beschwerde gegen den Beschluss
Hier könnte man schon stutzig werden.
Der 14.12.2016 befindet sich im Zeitpunkt des Erscheinens des JA-Heftes (Oktober 2016) doch in der Zukunft. Lesen wir nun im Sachverhalt weiter:
Zur Begründung trug V vor und machte auch glaubhaft, dass seine Ehefrau im Besitz des einzigen Briefkastenschlüssels gewesen sei, diese aber nach einer Auseinandersetzung mit ihm am 1.12.2015 die gemeinsame Wohnung verlassen und bis einschließlich 12.12.2015 bei Verwandten in Bad Driburg bzw. Pirmasens gewesen sei, sodass er keinen Zugang zum Inhalt des Briefkastens hatte.
Also:
01.12.2015: Ehefrau verlässt mit dem Briefkastenschlüssel die gemeinsame Wohnung.
12.12.2015: Rückkehr der Ehefrau mit Briefkastenschlüssel
Wenn doch die Ehefrau schon am 12.12.2015 mit dem Briefkastenschlüssel zurückgekehrt ist – warum legt V dann erst am 14.12.2016 sofortige Beschwerde ein?
Werfen wir einen Blick in die Bewertung durch Kudlich, was die Maßstäbe für die Beurteilung einer Fristversäumung angeht.
Berücksichtigt man dies alles und setzt es ins Verhältnis zu der geringen Fristüberschreitung und dem Umstand, dass V nicht unbedingt bekannt war, wann genau ihm ein entsprechender Beschluss bekannt gegeben würde, erschiene hier auch eine großzügigere Handhabung vorstellbar.
(JA 2016, 793, 794 f)
Geringe Fristüberschreitung? Spätestens jetzt sollte klar sein, dass es sich um einen Tippfehler im Sachverhalt handelt. Eine mehr als einjährige Fristüberschreitung würde niemand als geringe Fristüberschreitung einstufen. Gemeint ist also als Datum für die Einlegung der sofortigen Beschwerde: 14.12.2015 (statt: 14.12.2016).
Der Tippfehler ließ sich deshalb so gut ausfindig machen, weil man die JA im Oktober 2016 im Briefkasten hatte, sodass unmittelbar auffällt, dass Dezember 2016 ein Datum in der Zukunft ist. Würde der Tippfehler aber auch auffallen, wenn man beispielsweise im kommenden Jahr die Besprechung in der beck-online-Datenbank konsultiert? Wohl eher nicht. Und wieder zeigt sich ein Vorteil der Online-Medien: Korrekturen sind möglich.
Insgesamt: Viel Lärm um Nichts? Das ließe sich nur dann entscheiden, wenn man wüsste, wie lange die JA-Community über die Datumsfrage gegrübelt hat bzw. in der Zukunft grübeln wird.
[…] Dabei ist ein gewisser Hang zur Übertreibung allerdings nicht zu übersehen. Muss etwa auch eine geringfügige Datumsverwechslung (14.12.2016 statt 14.12.2015) wirklich zum Gegenstand eines 3054-Zeichen (Leerstellen […]