Wüstenbecker schreibt in der RÜ 2/2015 auf Seite 123:
Eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen Verstoßes gegen das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO scheidet aus. Die für den Erlass des VA und damit auch für die Vollziehungsanordnung zuständige B hat letztere formell ordnungsgemäß schriftlich begründet. Da B der Einzelfallcharakter bewusst war, kommt es auf die Richtigkeit ihrer Begründung nicht an.
Nun kann es auch Klausurkonstellationen geben, in denen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO nicht genüge getan ist. Dann könnte man aufgrund der Formulierung von Wüstenbecker meinen, dass dann die Vollziehungsanordnung aufgehoben wird. Das ist eine vertretene Ansicht, aber nicht die einzige. Als Leser vermisst man eine kurze Randbemerkung, dass die Konsequenz einer Verletzung des Begründungserfordernisses aus § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO umstritten ist (vgl. Niedzwicki, JuS 2009, 226). Nur so kann das Problembewusstsein der Leser geschärft werden.
Was sollte man zu der Problematik also wissen?
– Es ist nicht unumstritten, welche Folge eine Verletzung des Begründungserfordernisses aus § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO hat.
– Es gibt zwei mögliche Konsequenzen, die bei Niedzwucki gut zusammengefasst sind, JuS 2009, 226 (227):
* eA: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
* aA: Aufhebung der Vollziehbarkeitsanordnung
– Zusätzlich sollte man noch Argumente Pro und Kontra nennen können.
Was spricht für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung?
Wieder hilft uns Niedzwucki, JuS 2009, 226 (227). Ausgangspunkt ist der Wortlaut des § 80 V 1 Alt. 2 VwGO.
Der Wortlaut des § 80 V 1 VwGO, der nicht von der Aufhebung der behördlichen Anordnung nach § 80 II Nr. 4 VwGO spricht, wird als Argument für die Auffassung herangezogen, dass das VG in diesen Fällen die aufschiebende Wirkung wiederherstellt
Außerdem stellt Niedzwucki auf die Konsequenzen ab:
Wird durch Beschluss die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt, sei die Behörde ferner auch nicht gehindert, die sofortige Vollziehung erneut anzuordnen, da der Beschluss lediglich eine begrenzte Bindungswirkung habe und sich nicht auf die materielle Rechtslage erstrecke.
(So auch Brinktrine/Kastner, Fallsammlung zum Verwaltungsrecht, 2002, S. 39).
Und was spricht für die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung?
Wieder zu Niedzwucki in die JuS 2009, 226 (227):
Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehbarkeitsanordnung stelle ein „Minus” zum Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dar.
Brinktrine/Kastner, Fallsammlung zum Verwaltungsrecht, 2002, S. 39 nennen ein weiteres Argument:
Für den Standpunkt, daß die Vollziehungsanordnung wegen des Formverstoßes aufzuheben ist, spricht, daß das Gericht nicht in eine Interessenabwägung eingetreten ist und es daher sinnvoll ist, dies bereits bei der Formulierung des Tenors zum Ausdruck zu bringen.
Wie man sich in einer Klausur auch immer entscheiden mag: Wichtig ist, dass dem Korrektor gezeigt wird, dass die beiden Ansichten bekannt sind. Außerdem geht die Prüfung an dieser Stelle auf jeden Fall weiter. Das erläutern Brinktrine/Kastner, Fallsammlung zum Verwaltungsrecht, 2002, S. 39 unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten. Sie verweisen zunächst auf die Notwendigkeit, ein umfassendes Gutachten zu erstellen, um dann auf die Interessen des Mandanten zu sprechen zu kommen:
Die sachliche Rechtfertigung ergibt sich aus der Überlegung, daß die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wegen einer unzureichend begründeten Vollziehungsanordnung dem Betroffenen nur vorübergehend Schutz bietet. Die Behörde kann in diesem Fall die Vollziehungsanordnung formgerecht wiederholen…
Wir sollten an solch einer Stelle in einer Klausur also Problembewusstsein zeigen, uns dann aber auch relativ schnell wieder den eigentlichen Schwerpunkten der Klausur widmen.
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