Im Personalmagazin 02/2017 schreibt Thomas Muschiol einen Beitrag mit der Überschrift „Häufige Vor- statt Ablagen, Rückblick. Unser jährlicher Rechtsprechungsreport mal anders: Welche Fragen das BAG im Jahr 2016 nicht entschieden, sondern dem EuGH zur Klärung vorgelegt hat.“, S. 70 ff. Die Übersicht zu den Vorlagefragen ist informativ, insoweit kann die Lektüre empfohlen werden.
Dann folgt allerdings zur Veranschaulichung der Rolle des EuGH ein Schaubild, über das ich ins Grübeln geraten bin:
Was fällt auf?
In der Tat wird der EuGH häufig von nationalen Gerichten im Wege von Vorabentscheidungsverfahren angerufen. Dieses Verfahren ist in Art. 267 AEUV geregelt.
Aber gibt es – wie es das Schaubild und der Text dazu suggeriert – ein „zusätzliches Rechtsmittel für Parteien“, das es erlaubt, gegen eine Revisionsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts den EuGH quasi als „Superinstanz“ anzurufen? Nein, ein solches Verfahren gibt es nicht. Zwar werden im AEUV zahlreiche vor dem EuGH mögliche Verfahrensarten aufgezählt, wie zum Beispiel:
- Vertragsverletzungsverfahren, Art. 258 f. AEUV
- Nichtigkeitsklage, Art. 263 f. AEUV
- Untätigkeitsklage, Art. 265 AEUV
- Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV
- Gutachtenverfahren, Art. 218 XI AEUV
- Schadensersatzklage, Art. 268 i.V.m. Art. 340 Abs. 2, Abs. 3 AEUV
- Beamtenklage, Art. 270 AEUV
Aber: Ein allgemeines Rechtsmittel im Sinne der von Muschiol behaupteten Rechtsmittelmöglichkeit zur „Superinstanz“ EuGH findet sich darunter nicht.
Eine Individualbeschwerde gegen Urteile gibt es nicht vor dem EuGH, wohl aber vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. zum Unterschied hier):
Art. 34 EMRK – Individualbeschwerden
Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befaßt werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.
Liebe Frau Herberger, Sie haben natürlich vollkommen Recht: Der EuGH wird nicht von der Partei, sondern nur vom BAG angerufen. Dieses muss den Sachverhalt dem EuGH vorlegen, wenn die Frage europarechtlich nicht geklärt ist und entscheidungserheblich ist. Es ist also gerade keine Superinstanz (ebenso wenig wie das BVerfG). Insoweit ist unsere Bezeichnung als „Superinstanz“ falsch, auch das Schaubild führt in die Irre. Sie haben Recht, vielen Dank für Ihren Hinweis. Wir werden im nächsten Personalmagazin eine Berichtigung bringen.
Danke für Ihre Antwort und den transparenten Umgang mit dem Sachverhalt.