Anne-Christin Mittwoch und Stefan Daniel schreiben im JuS-Probeexamen 2016, 27 (31):
B bestellte am 1.12.2011 Büromöbel und Technik für die zehn neu eingestellten Mitarbeiter der OHG. Hierin liegt eine eigene Willenserklärung des B. Zwar handelte er nicht ausdrücklich im Namen der OHG, jedoch ergibt sich die Geschäftsbezogenheit seines Handelns aus den Umständen, so dass eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz gem. § 164 II in Gestalt eines unternehmensbezogenen Geschäfts vorliegt.
Dazu heißt es in Fußnote 22:
Näher zu Offenkundigkeitsprinzip sowie zu dessen Ausnahmen, Lorenz, JuS 2010, 382.
Doch geht es wirklich um § 164 II BGB? Und ist das unternehmensbezogene Geschäft tatsächlich eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz?
Schauen wir uns zuerst § 164 II BGB an:
Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
Diesen Paragraphen nahm mein erster Zivilrechtsprofessor zum Anlass, um zu erläutern, dass nicht jede Norm für Laien (also auch für uns Erstis) unmittelbar verständlich ist. Er fasste den Inhalt gut verständlich wie folgt zusammen:
Dessen Funktion [Die Funktion von § 164 II BGB, M.H.] ist es, die Bindung des Vertreters an das von ihm geschlossene Geschäft nicht erst zu begründen, sondern anfechtungsfest zu machen.
Darum geht es in dem JuS-Fall aber nicht. Hier soll erklärt werden, wie mit einer Willenserklärung umgegangen werden kann, die nicht ausdrücklich im fremden Namen erklärt wird. Dazu hilft uns § 164 I 2 BGB weiter:
Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
Und genau hier sieht Lorenz auch das unternehmensbezogene Geschäft angesiedelt:
Keine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz, sondern einen Fall von § 164 I 2 stellt auch das sog. unternehmensbezogene Geschäft dar: Wenn der Handelnde erkennbar für ein bestimmtes Unternehmen auftritt, wirkt seine Willenserklärung unmittelbar für und gegen den tatsächlichen Unternehmensinhaber, selbst wenn dieser falsch bezeichnet wird oder der Handelnde den Eindruck erweckt, selbst der Unternehmensinhaber zu sein […]
(Lorenz, JuS 2010, 382, 383).
Es gibt aber auch Juristen, die wie Mittwoch/Daniel der Ansicht sind, dass das unternehmensbezogene Geschäft eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz sei. Dazu schreibt Rüßmann:
Als zweite Ausnahme wird häufig das Geschäft für den Inhaber eines Gewerbebetriebs genannt. In diesen Fällen wird beim Handeln des Angestellten für den Betrieb der Betriebsinhaber berechtigt und verpflichtet, auch ohne dass der Angestellte beim Vertragsschluss dies ausdrücklich klarstellen müsste. Das ist insoweit unstrittig. Genau genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip, sondern gerade um dessen Anwendung.
Nun haben wir also die Qual der Wahl. Entweder sehen wir mit Mittwoch/Daniel das unternehmensbezogene Geschäft als Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz an oder wir folgenden Lorenz und Rüßmann und sehen im unternehmensbezogenen Geschäft eine Anwendung des Offenkundigkeitsgrundsatzes. Entscheidend ist bloß, dass wir uns dieser Problematik bewusst sind.
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