Zu Ostern: Der Schokoladen-Osterhase, der wie ein Schokoladen-Weihnachtsmann zu behandeln ist.

Wem ist sie nicht im Studium begegnet, die Geschichte von der Reichsschokoladen-Verordnung, die angeblich Osterhasen zu Weihnachtsmännern im Sinne der Verordnung erklärte?

Dass die Geschichte eine Mystifikation ist, hat Andreas Piekenbrock (Der Weihnachtsmann, der Osterhase und die (Rechts-)Wissenschaft, Jura 2015, S. 336-340) schlüssig nachgewiesen. Wegen der Gründlichkeit und Stringenz der Beweisführung und des humorvollen Tons kann dieser Aufsatz wärmstens zur Lektüre empfohlen werden. Piekenbrock kommt zu dem Ergebnis:

Mit der Rechtsquelle, in der sich unsere Geschichte vom Osterhasen, der wie ein Weihnachtsmann zu behandeln ist, finden soll, verhält es sich wie mit den beiden Protagonisten selbst: Keiner hat sie je gesehen. Bis sie doch jemand sieht, dürfen und müssen wir daher annehmen, dass es sie nicht gibt. Sie alle sind Fiktionen, so wie der Inhalt der Geschichte selbst.

(S. 340)

Trotzdem muss man kein Prophet sein um vorauszusagen, dass das Motiv weiterleben wird. Piekenbrock gibt auch dafür eine einleuchtende Begründung:

Das hindert aber weder unsere Geschichte noch den Weihnachtsmann noch den Osterhasen, sich als Kulturgüter im kollektiven Gedächtnis einer Zunft (der Juristen) oder sogar eines beachtlichen Teils der Menschheit zu etablieren. Auch wenn sich unsere Geschichte nicht so abgespielt hat, wie behauptet wird, ist sie gut ausgedacht und lehrreich.

(S. 340)

Ein Tipp ist der, dass man mit dieser Geschichte möglicherweise als Thema in der mündlichen Prüfung rechnen muss. Es könnte nämlich gefragt werden, ob es sich um eine Definition oder eine Fiktion handelt. Beide Ansichten werden vertreten. Eine Definition ist es meines Erachtens nicht. Denn die Regelung für die Osterhasen legt nicht die Bedeutung des Wortes „Osterhasen“ im Sinne von „Weihnachtsmänner“ fest. Der Osterhase bleibt ein Osterhase. Was die Regelung aber bewirkt, ist die Rechtsfolge, dass Osterhasen in diesem Regelungszusammenhang wie Weihnachtsmänner behandelt werden, obwohl sie gerade keine Weihnachtsmänner sind. Fiktionen verhalten sich genau so. 

Nun könnte man in der angenommenen Prüfungssituation noch weiter fragen, wozu Fiktionen gut sind. Eine Antwort ist die, dass dadurch Regelungen ökonomischer gestaltet werden können. Anstatt für die Osterhasen alle für die Weihnachtsmänner geltenden Regelungen zu wiederholen, genügt ein Satz, eben die Fiktion.

Hiermit verabschiede ich mich (wirklich und nicht nur fiktiv) in die diesjährige Osterpause. Der nächste Beitrag erscheint dann am 21. April.

2 comments

  1. […] ich es mir einfach machen wollte, würde ich jetzt auf die Geschichte vom Weihnachtsmann zurückgreifen, dem der Osterhase gleichgestellt wurde. Aber so einfach darf ich es mir nicht […]

  2. Felix sagt:

    „Weihnachtsmann im Sinne dieser Verordnung ist auch der Osterhase.“

    Diesen Satz oder möglicherweise auch das Umgekehrte, habe ich selbst in der verwaltungsjuristischen Ausbildung Mitte der 90er Jahre gelesen. Zusammen mit der ganzen Ausbildungsklasse und vermutlich auch allen anderen Klassen. Das war ein beliebter Gag, den kein Dozent ausgelassen hat.

    Wenn „richtige“ Juristen das nicht finden können, einfach mal eine alte VSV Hessen heranziehen.

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