Heute soll es mal wieder um eine Jura im Alltag-Beobachtung gehen. Das damit verbundene Thema kann auch in Klausuren auftreten. Zur Veranschaulichung können wir folgenden Gutschein für eine Fußmassage betrachten, den ich vor ein paar Monaten gekauft habe. Damit der Anbieter nicht erkennbar ist, habe ich einige Angaben geschwärzt. Der juristisch entscheidende Aspekt ist aber selbstverständlich weiterhin erkennbar:
Was könnte an einer solchen Ausgestaltung des Gutscheins problematisch sein?
Genau: Die Frage, wie lange der Gutschein eingelöst werden kann.
Die Formulierung „Gilt für 3 Monate ab Ausstellungsdatum“ ist als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv § 305 Abs. 1 BGB anzusehen. Da § 309 BGB und § 308 BGB nicht einschlägig sind, ist auf § 307 BGB zurückzugreifen.
Jetzt darf nicht vorschnell § 307 Abs. 1 S. 1 BGB geprüft werden. Zunächst sollte der Ausschlussgrund des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB analysiert werden:
Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
Daraus folgt, dass Leistungsbeschreibungen nicht an § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu messen sind. Was Leistungsbeschreibungen sind, erläutert das LG Köln wie folgt:
Nicht kontrollfähige Leistungsbeschreibungen sind allerdings nur solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen […]. Demgegenüber unterliegen solche Klauseln der Inhaltskontrolle, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen bzw. (nur) ausgestalten oder modifizieren. Bei der Abgrenzung ist auf den Schutzzweck des AGB-Rechts abzustellen, der darin besteht, dass der Vertragspartner des Verwenders durch die Inhaltskontrolle vor einseitig ausbedungener, inhaltlich unangemessener Verkürzung der vollwertigen und nach Gegenstand und Zweck des Vertrags zu erwartenden Leistung geschützt werden soll; damit verbleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann […].
(LG Köln, Urt. v. 30.10.2013, 26 O 211/13)
Was folgt daraus für die Gültigkeitsbestimmung eines Gutscheins unter dem Gesichtspunkt des Ausschlussgrundes (Leistungsbeschreibungen)?
In diesen engen Bereich fallen die streitigen Klauseln nicht, da der wesentliche Vertragsinhalt mit den Hauptleistungspflichten der Parteien auch ohne die Klauseln zum Verfall des Guthabens bestimmt werden könnte […].
(OLG München, Urt. v. 17.01.2008, 29 U 3193/07, Rn. 25)
Der Ausschlussgrund des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ist für die Gültigkeitsbestimmung des Gutscheins also nicht einschlägig. Wir müssen also nun § 307 Abs. 1 S. 1 BGB prüfen:
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Wann eine solche unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann, ist § 307 Abs. 2 BGB zu entnehmen. In unserer Konstellation könnte § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB einschlägig sein:
Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […]
Es stellt sich also die Frage, inwiefern durch die Gültigkeitsbeschränkung des Gutscheins auf drei Monate von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung abgewichen wird.
Die gesetzliche Regelung kann im Verjährungsrecht gefunden werden. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Hinzu kommt, dass die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen muss (Nr. 2).
Von diesen wesentlichen Grundgedanken weicht die oben genannte Gültigkeitsbestimmung des Gutscheins (Verkürzung auf drei Monate ab Ausstellungsdatum) ab. Aus der Formulierung „im Zweifel“ ergibt sich aber, dass die durch § 307 Abs. 2 S. 1 BGB begründete Vermutung widerlegt werden kann (vgl. Stadler in Jauernig, BGB, 2015, § 307 BGB, Rn. 10).
Betrachten wir also die Besonderheit des vorliegenden Gutscheins: Es geht um eine Dienstleistung, nämlich eine Fußmassage. Innerhalb von drei Jahren können sich Personalkosten verändern, sodass eine Befristung unterhalb der Drei-Jahres-Grenze nicht als „unangemessen“ erscheint. Jedoch ist eine Befristung auf drei Monate wohl nicht angemessen. Dies würde nämlich bedeuten, dass man ab dem vierten Monat mit wesentlichen Änderungen der maßgeblichen Umstände rechnet, was nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann.
Mit einer weiteren Besonderheit hätte man es zu tun, wenn der Gutschein im Rahmen einer Aktion zu einem Sonderpreis erworben worden wäre (vgl. LG Berlin, Urt. v. 25.10.2011, 15 O 663/10, BeckRS 2012, 17713). Aber dem war hier nicht so.
Ergebnis: Der Gutschein gilt drei Jahre ab Ende des Ausstellungsjahres (vgl. dazu § 306 Abs. 1, Abs. 2 BGB).
Wer die Argumentation umfassender nachlesen möchte, dem sei das Urteil des OLG München vom 17.01.2008 mit dem Aktenzeichen 29 U 3193/07 empfohlen.
[…] Lässt sich die Gültigkeitsdauer von Gutscheinen auf drei Monate […]