Wie grenzt man den Antrag nach § 80 V VwGO von dem Antrag nach § 123 VwGO ab?

Die Frage, ob ein Antrag nach § 80 V VwGO statthaft ist oder aber ein Antrag nach § 123 VwGO gestellt werden muss, ist eine Frage, die in Examensklausuren immer wieder auftaucht. Die Abgrenzungsformel sollte daher nicht erst in der Klausursituation entwickelt werden, sondern bereits vorab gedanklich parat stehen.

Schauen wir uns zum Einstieg einmal gängige Formulierungen aus der juristischen Ausbildungsliteratur an.

Jochen Kermann, JA 2014, 600 (601):

A hat ein Eilverfahren eingeleitet. Welcher Antrag statthaft ist, bestimmt sich nach dem Begehren des Antragstellers. Die statthafte Antragsart ist anhand von § 123 V VwGO zu ermitteln. Danach ist ein Antrag gem. §§ 80 V, 80 a VwGO zu stellen, wenn eine Klage in der Hauptsache eine Anfechtungsklage wäre. Bei allen anderen Klagearten ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 I VwGO die richtige Antragsart im einstweiligen Rechtsschutz.

Cornelia Manger-Nestler und Robert Böttner, JuS 2015, 725 (730):

Der Antrag ist statthaft, wenn kein Fall der §§ 80, 80 a VwGO vorliegt (§ 123 V VwGO), dh in der Hauptsache keine Anfechtungsklage einschlägig wäre.

Es handelt sich dabei um Formulierungen, die man immer wieder liest. Doch sollte man sie selbst so verwenden?

Andreas Voßkuhle und Thomas Wischmeyer wenden gegen diese Abgrenzungsformel Folgendes ein:

Im gegebenenfalls parallel zum vorläufigen Rechtsschutz [nach § 80 V VwGO, M.H.] durchzuführenden Hauptsacheverfahren wird oftmals die Anfechtungsklage statthaft sein. In bestimmten Konstellationen kann allerdings auf Grund materiell-rechtlicher Vorgaben im Fachrecht (etwa im Ausländerrecht) auch eine Verpflichtungsklage erforderlich sein.

(JuS 2016, 1079, 1081)

Wir sehen: Es gibt Fälle, in denen ein Antrag nach § 80 V VwGO statthaft ist, obwohl die statthafte Klageart in der Hauptsache keine Anfechtungsklage wäre.

Doch wie grenzen wir den Antrag nach § 80 V VwGO dann von dem Antrag nach § 123 VwGO ab? Auch dazu haben Voßkuhle und Wischmeyer einen Vorschlag:

Richtigerweise ist das Verfahren nach §§ 80, 80 a immer dann statthaft, wenn und soweit das Rechtsschutzbegehren auf Herstellung oder Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist.

(JuS 2016, 1079, 1081)

Mit dieser Formel können wir das Verfahren nach § 80 V VwGO von dem Verfahren nach § 123 VwGO abgrenzen, ohne eine angreifbare Formulierung zu verwenden.

3 comments

  1. Max sagt:

    Die Kritik an der gängigen Abgrenzungsformel leuchtet ein; sie kann nur Faustregel sein. Aber können Sie mir erklären, warum Voßkuhle/Wischmeyer in ihrem Alternativvorschlag auf die „Herstellung“ und „Durchsetzung“ der aufschiebenden Wirkung abstellen und nicht (entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes) auf die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung? Läge irgendwie näher.

    • klartext-jura sagt:

      Vielen Dank für den Beitrag. Im Sinne einer „authentischen Interpretation“ habe ich Professor Wischmeyer um eine Auskunft gebeten, der mir sogleich wie folgt geantwortet hat:

      „Wenn man verstanden hat, worum es geht, kann natürlich auch der Gesetzeswortlaut verwendet werden. Die von uns gewählte Begrifflichkeit soll nichts anderes ausdrücken. Uns schienen die Begriffe Herstellung und Durchsetzung, die man auch sonst in der Literatur findet, nur etwas klarer und einfacher verständlich.“

      Damit scheint mir die terminologische Frage geklärt zu sein.

  2. Max sagt:

    Ach cool, danke für die Mühen und diese exklusive Erläuterung durch den Verfasser! Dann werde ich mich für meine Klausuren guten Gewissens am Gesetzeswortlaut halten.

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