Bei der Lektüre des folgenden Kommentar-Textes wird man über das in Anführungszeichen gesetzte Wort „behindert“ stolpern:
Der Stellvertreter hat (nur) dann die Rechte und Pflichten des AR-Vorsitzenden (zwingende Ausnahme: Zweitstimmrecht; § 29 II 3, § 31 IV 3), wenn dieser „behindert“ ist, dh. wenn jener aus irgendeinem Grunde die Aufgaben nicht wahrnehmen kann oder dessen Wahrnehmung dem Stellvertreter überlassen will.
(Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 27 MitbestG, Rn. 8)
Was hat es damit auf sich?
Werfen wir zunächst einen Blick in den relevanten § 107 Abs. 1 AktG i.d.F. v. 10.05.2016:
Der Aufsichtsrat hat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen. Der Vorstand hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist. Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser verhindert ist.
Da steht „verhindert“ und nicht „behindert“. Gibt es eine Erklärung dafür, dass in der Kommentierung von „behindert“ die Rede ist? Es scheint sich ja um ein Zitat zu handeln, wie die Anführungszeichen erkennen lassen.
Die Antwort liefert ein Blick in die Gesetzgebungsgeschichte zu § 107 Abs. 1 AktG. Die Norm lautete i.d.F. bis zum 31.10.2008:
Der Aufsichtsrat hat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen. Der Vorstand hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist. Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser behindert ist.
In dieser Fassung stand also noch „behindert“. Die Kommentierung basiert offensichtlich auf dieser älteren Formulierung. Der Gesetzgeber meinte ursprünglich auch nicht „behindert“ i.S.v. „einer Beeinträchtigung ausgesetzt“, sondern mit einem älteren Sprachgebrauch „an der Teilnahme behindert“. Er hat dann erkannt, dass man stattdessen besser von „verhindert“ sprechen sollte.
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