Archiv für April 2018

In juristischen Arbeiten theologisch argumentieren?

Heute soll es mal wieder um Methodenlehre gehen. Schauen wir uns dazu die folgenden drei Zitate an:

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die Entscheidung des Arbeitsgerichts basiere auf einer unzutreffenden Auslegung des in § 14 Abs. 2 TzBfG normierten Vorbeschäftigungsverbotes und weiche von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und eines Großteils der Instanzgerichte ab. Eine theologische Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebiete vielmehr die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass das Verbot der Vorbeschäftigung nicht zeitlich unbefristet geltend könne.

(LArbG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29.05.2017, 6 Sa 405/15, juris, Rn. 13-15)

Die Kammer folgt der Auffassung des Bundesgerichtshofs und schließt sich dieser uneingeschränkt an. Sie hält die vom Bundesgerichtshof vorgenommene historische, systematische und theologische Auslegung für überzeugend.

(LArbG Frankfurt (Oder), Urt. v. 31.01.2014, 19 O 16/13, juris, Rn. 24)

Ergibt sich aus dem Wortlaut einer Vorschrift nicht klar, wie diese Vorschrift zwecks Verdeutlichung des in ihr vom Gesetzgeber beschlossenen Sinnes auszulegen ist, so sind weitere Auslegungskriterien hinzuzuziehen. Diese – in ihrer Bedeutung teils gleichrangigen, teils nachrangigen – Auslegungskriterien sind die Entstehungsgeschichte der Norm (historische Auslegung), der logische und systematische Zusammenhang, in dem die Norm steht (logisch-systematische Auslegung), sowie nicht zuletzt Sinn und Zweck der Norm (theologische Auslegung).
(VG Arnsberg Urt. v. 21.9.1978, 6 K 266/78, juris, Rn. 16)

Um dem Fehler auf die Spur zu kommen: Welche Gemeinsamkeit haben alle drei zitierten Entscheidungen?

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Falsche Widerrufsbelehrung – Vertrag nichtig?

Im Focus habe ich vor einiger Zeit gelesen:

Seit 2. November 2002 steht Kreditnehmern auch bei Immobiliendarlehen ein Widerrufsrecht zu. Seither machten die Juristen von Banken und Bausparkassen jede Menge formale Fehler, weil sie die gesetzlich vorgeschriebene Musterbelehrung eigenständig abwandelten.

Die Folge: Selbst bei kleinsten Schnitzern startet die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 355 Absatz 2 vorgegebene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht. Der Vertrag ist nichtig. Viele Zehntausend Verbraucher mit älteren Darlehen bis 10. Juni 2010 nutzten bereits die Bankenfehler, um ihre hoch verzinsten Darlehen von teilweise vier bis fünf Prozent auf das heutige, billigere Zinsniveau von ein bis zwei Prozent umzuschulden oder sich Geld aus längst abgelösten Verträgen zurückzuholen. Am 22. Juni 2016 erlosch das Widerrufsrecht für die Altverträge. Der Gesetzgeber hatte dem Schlupfloch raus aus teuren Finanzierungen einen Riegel vorgeschoben.

Sind – wie hier dargestellt – Verträge mit falscher Widerrufsbelehrung nichtig?

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Oettinger zur Unterscheidung von Buchstaben und Geist

In der FAZ vom 31.03.2018, S. 2 wird über die „Causa Selmayr“ berichtet und in diesem Kontext folgendes ausgeführt:

Nach Überzeugung des Juristischen Diensts des Parlaments, der sich auf die einschlägige EU-Rechtsprechung stützt, sind Versetzungen ohne Ausschreibung nur in einer „ernsthaften und dringlichen Lage“ zulässig. Solange es bei einem vermuteten rechtlichen Verstoß keine Kläger gibt, dürften sich Selmayr und seine Fürsprecher zumindest rechtlich auf der sicheren Seite wähnen. Klagen könnten nur Beamte, die sich unmittelbar benachteiligt fühlen. Vor diesem Hintergrund könnte Oettingers Bemerkung zu verstehen sein, als Jurist verstehe er eine Unterscheidung zwischen Buchstaben und Geist von Regelungen nicht.

Ist es wirklich so, dass ein Jurist – „als Jurist“ – die Unterscheidung zwischen Buchstaben und Geist von Regelungen nicht verstehen kann?

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