Gerald Mäsch bespricht in der JuS 2018, 907 ff. die Entscheidung des BGH vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17). Seine Urteilsanmerkung betitelt er mit „Differenzhypothese statt fiktiver Mängelbeseitigungskosten“. Für uns ist die Entscheidung schon deshalb relevant, weil der BGH eine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat. Das ist ein Anknüpfungspunkt, der früher oder später in Prüfungen auftauchen wird.
Zur Rechtsprechungsänderung heißt es im ersten Leitsatz:
Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
Das sollten wir uns merken. Wer sich für die Begründung dieser Entscheidung interessiert, dem sei die gut verständliche Anmerkung von Mäsch empfohlen. Allerdings bin ich gegen Ende der Urteilsanmerkung über eine Formulierung gestolpert:
Obwohl (oder gerade weil) die Entscheidung in die (Un-)Tiefen des Schadensrechts führt, sollten Studenten sich näher mit ihr auseinandersetzen. Das gilt zum einen deshalb, weil eine Rechtsprechungsänderung in mündlichen Prüfungen und Klausuren gerne herangezogen wird, um das Systemverständnis der Kandidaten zu prüfen. Zum anderen illustriert die Frage nach der Möglichkeit der Geltendmachung fiktiver Reparaturkosten höchst aufschlussreich den Inhalt und die Natur der schadenersatzrechtlichen Pflicht zur Naturalrestitution (§ 249 BGB) im Gegensatz zur Entschädigung in Geld (§ 251 BGB) und der nur im letzteren Fall anzuwendenden Differenzhypothese.
(JuS 2018, 907, 909)
Die Differenzhypothese soll also nur im Rahmen von § 251 BGB anwendbar sein und nicht im Rahmen von § 249 BGB?
Das sollte man so wohl in einer Klausur besser nicht vertreten. Statt vieler sei Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB, 2000, S. 522 zitiert:
§ 249 S. 1 BGB knüpft mit der Differenzhypothese an den Vergleich zwischen dem schadensbelasteten Ist-Zustand und dem hypothetischen schadensfreien Soll-Zustand an.
Wir halten fest: Die Differenzhypothese spielt im § 249 BGB eine zentrale Rolle.
P.S. Ich habe den Satz von Mäsch mehrfach gelesen. Leider ist mir keine benigna interpretatio eingefallen.
Herr Mäsch geht (wohl) darauf ein, dass die Differenzhypothese (eigentlich) nur der Ermittlung eines Vermögensschadens dient, nicht aber generell der Schadensermittlung im Sinne des § 249 I BGB (der auch immaterielle Schäden umfasst).
Demnach setzt also die Differenzhypothese den Vergleich zwischen tatsächlicher und hypothetischer „Vermögens“lage voraus.
Wenn man das so spitzfindig sieht, dient die Differenzhypothese tatsächlich im Wesentlichen der Abgrenzung von materiellen und immateriellen Schäden. Letztere werden, wie § 253 BGB zeigt, grundsätzlich nicht von § 251 BGB erfasst.
Passenderweise spricht Herr Mäsch übrigens von ‚Untiefen‘ des Schadensrechts, denn wie man diese Spitzfindigkeit in einer Klausur aufbauen soll, weiß ich beim besten Willen nicht.
Danke für den Beitrag. Ich verstehe meine Blog-Einträge nie als endgültige Stellungnahme in der Sache und bin froh über jegliche Diskussion.