Fischer schreibt in der JuS 2018, 867:
Festgehalten werden kann daher, dass eine Drittwiderklage nur zulässig ist, wenn die Gegenstände der Klage und der Widerklage rechtlich eng miteinander verknüpft sind und dadurch keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbekl. sowie des Kl. verletzt werden, insbesondere durch eine Ausweitung des Verfahrensstoffs.
Sollten wir uns die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Drittwiderklage wirklich so merken?
Wir müssen zwischen der isolierten Drittwiderklage und der parteierweiternden (streitgenössischen) Drittwiderklage differenzieren.
- Bei einer isolierten Drittwiderklage richtet sich die Widerklage ausschließlich gegen einen Dritten, der am Prozess noch nicht beteiligt ist (daher die Bezeichnung „isoliert“).
- Bei einer streitgenössischen Drittwiderklage richtet sich die Widerklage gegen den Kläger und einen am Prozess noch nicht beteiligten Dritten.
Die Voraussetzungen, die Fischer hier nennt, müssen für eine isolierte (!) Drittwiderklage erfüllt sein.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Drittwiderklage grundsätzlich unzulässig, wenn sie sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet […]. Jedoch kann in besonders gelagerten Fällen eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten sein.
[…]
Durch das Rechtsinstitut der Widerklage soll die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden; zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können […]. Dieses Ziel kann mit der Widerklage gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht Beteiligten jedenfalls dann erreicht werden,
wenn die Dinge tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind […]
und
keine schutzwürdigen Interessen des Widerbeklagten verletzt werden […].
(BGH, Urt. v. 13.03.2007, VI ZR 129/06)
Unberücksichtigt bleiben dürfen darüber hinaus auch nicht die schützenswerten Interessen des Kl., die dadurch berührt sein können, dass der Prozessstoff sich ausweitet und das Verfahren länger dauern kann.
(BGH, Urt. v. 07.11.2013, VII ZR 105/13)
Wie sind nun im Unterschied zur isolierten Drittwiderklage die Voraussetzungen bei einer streitgenössischen Drittwiderklage zu bestimmen? Das ist im Einzelnen umstritten:
Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine parteierweiterende Drittwiderklage („aus eins mach zwei“) erhoben werden kann. Der Streit betrifft vor allem die Frage, welche ZPO-Vorschriften auf eine nachträgliche Parteierweiterung heranzuziehen sind.
(Gleußner, Zivilprozessrecht, 2018, Rn. 203)
Zur nachträglichen Parteierweiterung sollte man folgende Ansichten kennen:
Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht ist die nachträgliche Parteierweiterung eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft. Es reicht daher aus, wenn eine rechtliche Beziehung i.S.d. §§ 59, 60 ZPO (Streitgenossenschaft) zwischen Kläger und Drittem besteht.
Der BGH verlangt hingegen, dass zusätzlich die Voraussetzungen der Klageänderung (§ 263 ZPO) vorliegen (sog. Klageänderungstheorie). Der Drittwiderbeklagte muss daher entweder in die Widerklage einwilligen oder das Gericht muss die Sachdienlichkeit bejahen […].
(Gleußner, Zivilprozessrecht, 2018, Rn. 203)
Ob zusätzlich die Voraussetzungen von § 33 ZPO vorliegen müssen, hängt davon ab, ob man § 33 ZPO
- als besondere Prozessvoraussetzung ansieht oder
- nur als Regelung eines besonderen Gerichtsstandes.
Also: Hätte Fischer nicht allgemein von Drittwiderklage gesprochen, sondern von der isolierten Drittwiderklage, hätte er Recht gehabt.
Nein, hätte er nicht, denn die Voraussetzungen der §§ 33, 59 f., 263 ZPO müssen nach Ansicht des BGH bei jeder Drittwiderklage vorliegen. Sie müssen deshalb bei der isolierten Drittwiderklage zusätzlich (!) zu deren spezifischen strengen Voraussetzungen vorliegen (und sollten, eben weil es sich um allgemeine Voraussetzungen handelt, bei schulmäßigem Vorgehen sogar als erstes geprüft werden).
(„Parteierweiternde Drittwiderklage“ liest man ja in der Tat manchmal. Trotzdem ist es ein Pleonasmus – schließlich wird der Kreis der Parteien bei jeder Drittwiderklage „erweitert“. Zumindest kann man sich die Fallgruppen m.E. leichter merken, wenn man „parteierweiternde Widerklage“ und „Drittwiderklage“ als Synonyme behandelt und „isolierte Drittwiderklage“ und „streitgenössische Drittwiderklage“ als deren Varianten.)
Vielen Dank für diesen Hinweis, der zum Nachdenken anregt. Es freut mich immer wieder, wenn solche Diskussionen hier im Blog entstehen. Vielleicht kann die Unterscheidung zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen zur Klärung beitragen: Die von Fischer genannten Voraussetzungen sind notwendige Voraussetzungen für eine isolierte Drittwiderklage, aber keine hinreichenden Voraussetzungen.