Schadensgeneigte / gefahrgeneigte Arbeit vs. betrieblich veranlasste Arbeit

Bei Tempel/Graßnack/Kosziol/Seyderhelm, Materielles Recht im Zivilprozess, 6. Aufl. 2014, § 30 Rn. 38 heißt es:

Die dargestellten Grundsätze finden Anwendung beim Haftungsausschluss zugunsten des Unternehmers nach § 104 SGB VII und des Mitbeschäftigten nach § 105 SGB VII aufgrund eines Arbeitsunfalls sowie beim Haftungsausschluss zugunsten des Dienstherrn nach § 46 II BeamtVG. Ein weiterer Fall ist die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei Schädigung des Arbeitgebers durch einen aufgrund schadensgeneigter Arbeit freigestellten Arbeitnehmer (Erstschädiger) und einen nicht privilegierten Zweitschädiger.

Worüber könnte man hier bei der Lektüre stolpern?

Genau: Es geht um den Begriff der „schadensgeneigten Arbeit“. Früher wurde die Arbeitnehmerhaftung bei schadensgeneigter Arbeit beschränkt. Heute ist diese Voraussetzung nicht mehr zu prüfen. Die Haftungsbeschränkung erfolgt schon bei betrieblich veranlasster (und nicht erst bei schadensgeneigter) Arbeit. Das steht so auch in dem von Tempel/Graßnack/Kosziol/Seyderhelm in Fn. 127 genannten Beleg aus dem Münchener Kommentar:

Einer gesetzlichen Haftungsfreistellung kommt es zumindest gleich, wenn ein Arbeitnehmer bei – früher schadensgeneigter, nunmehr – betrieblich veranlasster Arbeit von Ansprüchen des Arbeitgebers (ganz oder teilweise) freizustellen ist.

(MünchKommBGB/Bydlinski, 7. Aufl. 2016, § 426 Rn. 64)

Werfen wir zur Abrundung noch einen Blick in den Beschluss des BAG vom 27.09.1994, GS 1/89 (A), in dem diese Entscheidung fiel. Da dieser Beschluss des Großen Senats für das Verständnis der Entwicklung immer noch relevant ist, hier ein auf die wesentlichen Punkte beschränkter Auszug:

Der Große Senat hält es für geboten, diese Beschränkung der Haftungserleichterung [auf schadensgeneigte bzw. gefahrgeneigte Arbeiten, M.H.] aufzugeben, weil sonst Arbeitnehmer, die keine gefahrgeneigte Tätigkeit ausüben, bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten grundsätzlich den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen müßten. Dies ist im Hinblick auf das dem Arbeitgeber auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit zuzurechnende Betriebsrisiko und seine Befugnis zur Organisation des Betriebs und zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht gerechtfertigt.

[…]

Durch den Wegfall der gefahrgeneigten Arbeit als Voraussetzung einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ändert sich nichts an den Abwägungsmerkmalen, die der 8. Senat in der Vorlagefrage durch Bezugnahme auf das Urteil vom 24. 11. 1987 […] beschrieben hat. Bei der Schadensteilung im Rahmen des § 254 BGB sind vielmehr die von der bisherigen Rechtsprechung als maßgeblich angesehenen Umstände in allen Fällen zu berücksichtigen, in denen der Schaden bei betrieblich veranlaßten Arbeiten entstanden ist.

[…]

Um den Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers zu belasten, muß die Tätigkeit, die zu dem Schaden geführt hat, durch den Betrieb veranlaßt und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet worden sein. Betrieblich veranlaßt sind dabei solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt […].

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