Beim Studieren der Fall-Lösung „Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: AT und Eigentumsdelikte – Zwei Villen und ein Bankautomat“ von Poschadel/Sigmund (JuS 2019, 366 ff.) bin ich ins Grübeln geraten. In dem dort behandelten Fall geht um es u.a. darum, dass in Freiburg-Herdern in einer Villengegend eine Tür zu Einbruchszwecken mit einem Dietrich geöffnet wurde. Der Tatplan sah wie folgt aus (und wurde auch so umgesetzt):
Sie [die beiden Akteure, M.H.] könnten dann zu einer Wohnung gelangen, deren Bewohner gerade abwesend sind, sicherheitshalber an deren Tür klopfen und diese dann mithilfe eines Dietrichs öffnen, den A einmal von ihrem Ex-Freund geschenkt bekommen hat.
(JuS 2019, 366)
Lassen wir einmal die Frage beiseite, ob es heute in einer Villen-Gegend noch Türen ohne Zylinderschloss gibt, die man mit einem Dietrich öffnen kann. Da man den Sachverhalt in einer Klausur als gegeben anzunehmen hat, muss man dies als faktisch maßgeblich erachten. Es fragt sich aber in juristischer Hinsicht, ob das Öffnen einer Tür mit einem Dietrich unter die Fallvariante „mit einem falschen Schlüssel“ subsumiert werden kann, wie dies folgendermaßen in der Fall-Lösung geschieht:
Durch das Eindringen in die Wohnung mittels eines falschen Schlüssels verwirklichen A und M allerdings § 244 I Nr. 3.
(JuS 2019, 366, 367)
Hier wird der für das Öffnen der Tür verwendete Dietrich als „falscher Schlüssel“ iSv § 244 I Nr. 3 StGB eingestuft. Das entspricht nicht der einhelligen Literaturmeinung, die den Dietrich als ein nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmtes Werkzeug ansieht:
– Fischer, 66. Aufl. 2019, § 243 StGB, Rn. 9
– Schmitz, in: MüKo, 3. Aufl. 2017, § 243 StGB, Rn. 30
– Vogel, in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2010, § 243 StGB, Rn. 26
– Çelik, JA 2010, 855, 857
– Jungwirth, MDR 1987, 537, 542
– Dzatkowski/Wolter, JA 2017, 190, 192
– Klesczewski/Knaupe, JA 2016, 593, 594
– Kühl, in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 243 StGB, Rn. 12
– Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 243 StGB, Rn. 15
– Koch/Dorn, JA 2012, 675, 677
Der Unterschied der beiden Fallvarianten liegt im Folgenden:
Schlüssel ist jedes Instrument, das dem vom Berechtigten zum Öffnen des Schlosses benutzten gleicht.
(MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, § 243 StGB, Rn. 27)
Daneben steht die Variante des anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeugs. Dieses wird wie folgt beschrieben:
Andere nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmte Werkzeuge sind solche, mit denen der Schließmechanismus ähnlich wie mit einem Schlüssel betätigt wird.
(MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, § 243 StGB, Rn. 30)
Der Dietrich gleicht nicht dem vom Berechtigten zum Öffnen des Schlosses benutzten Instrument. Vielmehr handelt es sich um ein Werkzeug, mit dem der Schließmechanismus ähnlich wie mit einem Schlüssel betätigt wird.
Es empfiehlt sich, in einer Klausur der beschriebenen gefestigten Meinung zu folgen.
Schreibe einen Kommentar