Im Online-Klausurenkurs für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare
in Rheinland-Pfalz ging es in der Klausur vom 16.02.2018 u.a. um die Problematik, ob von einer Unternehmereigenschaft iSv § 14 BGB im Rahmen von § 474 BGB auch in Bezug auf branchenfremde Nebengeschäfte ausgegangen werden kann.
Werfen wir dazu einen kurzen Blick in den Sachverhalt:
Der Kläger ist Pferdetrainer und Eigentümer eines Reitstalls mit dreißig Boxen, die er größtenteils an Freizeitreiter vermietet. Die Beklagte beauftragte den Kläger, ihren Wallach für sie zu verkaufen. Dabei wurde vereinbart, dass der Kläger den Verkauf im eigenen Namen durchführen sollte. Die Zeugin O kaufte den Wallach. Wenige Monate später erkrankte das Pferd an einer besonders schweren Kolik. Ursache dafür waren auf einer Länge von sieben Metern des Dünndarmes vorhandene Divertikel. Da dieser Zustand nicht heilbar ist, wurde das Pferd eingeschläfert. Daraufhin erklärte die Zeugin O dem Kläger gegenüber den Rücktritt. Der Kläger informierte die Beklagte, die sich allerdings weigerte, an der Befriedigung der Ansprüche der Zeugin O mitzuwirken. Daher beglich der Kläger zunächst selbst die sich aus der Rückabwicklung des Kaufvertrages ergebenden Ansprüche der Zeugin O. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger nunmehr Erstattung dieser Kosten von der Beklagten.
Zu prüfen ist ein Anspruch aus §§ 675, 670 BGB. In diesem Zusammenhang kommt es dann darauf an, welche Aufwendungen der Kläger für erforderlich halten durfte. Das ist nur die Zahlung solcher Beträge, die der Käuferin O nach Rücktritt vom Kaufvertrag zustanden. Im Rahmen der Prüfung solcher Ansprüche stellt sich dann u.a. die Frage, ob bei Gefahrübergang ein Mangel vorgelegen hat. Hier kann die Vermutung des § 477 BGB helfen:
Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.
Damit diese Vermutung anwendbar ist, müssten jedoch die Voraussetzungen von § 474 BGB gegeben sein. Dazu heißt es in § 474 Abs. 1 S. 1 BGB:
Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft.
Erforderlich ist also, dass der Kläger Unternehmer i.S.v. § 14 BGB ist. Dazu heißt es in der Musterlösung:
Die Vermutung greift zu Lasten des Klägers als Gewerbetreibendem und
damit Unternehmer i.S.v. § 14 BGB für die Käuferin O als Verbraucherin gem. § 13 BGB. Unerheblich für die Stellung des Klägers als Unternehmer ist, dass er sich nicht hauptberuflich mit dem Verkauf von Pferden beschäftigt, sondern einen Reitstall betreibt und als Pferdetrainer arbeitet. Unternehmer ist jede natürliche und juristische Person, die am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen ein Entgelt anbietet. Auch branchenfremde Nebengeschäfte fallen unter § 14 BGB (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 14 Rn. 2).
Steht diese Auffassung in dieser Allgemeinheit im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung?
Wohl eher nicht. Zur einschlägigen Fragestellung führt der BGH aus:
[…] Denn wie die Revision mit Recht rügt, erfolgte der Verkauf des Dressurpferdes nicht „in Ausübung“ dieser Tätigkeit. [sic: in Ausübung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, § 14 Abs. 1 BGB, M.H.]
Eine Vermutung dafür, dass alle vorgenommenen Rechtsgeschäfte eines Unternehmers „im Zweifel“ seinem geschäftlichen Bereich zuzuordnen sind, besteht nicht. Der Senat hat in seinem insofern von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Urteil vielmehr lediglich für den Fall einer GmbH (als Formkaufmann gem. § 6 I HGB, § 13 III GmbHG) entschieden, dass auch der Verkauf beweglicher Sachen durch diese an einen Verbraucher im Zweifel zum Betrieb ihres Handelsgewerbes (§ 344 I HGB) gehört und damit, auch wenn es sich um ein branchenfremdes Nebengeschäft handelt, unter die Bestimmungen der §§ 474 ff. BGB für den Verbrauchsgüterkauf fällt, sofern die gesetzliche Vermutung des § 344 I HGB nicht widerlegt ist […].
Ein entsprechender allgemeiner, auf alle selbstständig Erwerbstätigen anzuwendender Rechtsgedanke ist § 344 I HGB jedoch nicht zu entnehmen, weil die auf Verbraucherschutz ausgerichteten Bestimmungen in §§ 13, 14 BGB ein anderes Regelungsziel verfolgen als der auf Publizität und Vertrauensschutz gerichtete § 344 HGB […].
Vielmehr setzt ein Handeln „in Ausübung“ der gewerblichen oder der selbstständigen beruflichen Tätigkeit iSv § 14 I BGB voraus, dass es gerade in einem hinreichend engen Zusammenhang mit eben dieser erfolgt. Ein solcher (tätigkeitsspezifischer) Zusammenhang besteht zwischen einer Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdetrainer auf der einen Seite und dem Verkauf eines Dressurpferdes auf der anderen jedoch nicht ohne Weiteres, sondern ist – jedenfalls unter den gegebenen Umständen – allenfalls äußerlicher Natur. Dies verkennt das BerGer., welches vielmehr pauschal und ohne nähere Begründung annimmt, der Verkauf des Pferdes weiche „nicht so weitgehend“ von der unternehmerischen Tätigkeit des Bekl. ab.
Der notwendige Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit ist auch nicht bereits deshalb anzunehmen, weil dem Bekl. bei der Ausbildung von „D“ seine Kenntnisse als Pferdetrainer zugutegekommen seien und sich insofern zu seinen Gunsten auch (mittelbar) auf den erzielten Verkaufspreis ausgewirkt haben könnten. Zwar können die Nutzung beruflich erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten sowie (insbesondere) der Einsatz von zum geschäftlichen Bereich gehörenden Sachmitteln im Einzelfall durchaus für eine Zuordnung des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts zur unternehmerischen Tätigkeit sprechen. Vorliegend fand die Ausbildung des streitgegenständlichen Pferdes aber nach den Feststellungen des BerGer. ausschließlich „zu eigenen Zwecken“ und nicht bereits mit Blick auf einen beabsichtigten späteren Verkauf statt.
(Urt. v. 18.10.2017, VIII ZR 32/16)
Wir können festhalten: Mit dem bloßen Verweis, dass von § 14 BGB auch branchenfremde Nebengeschäfte erfasst seien, lässt sich im Prüfungsfall der Anwendungsbereich von § 474 BGB nicht bejahen.
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