Archiv für September 2019

Bekommt nichts, wer weniger verlangt, als ihm zusteht?

Ja, das ist die Frage, die ein wirkliches Urteil aus dem Referendarleben aufwirft. Und da die Geschichten, die das Leben schreibt, immer noch die besten sind, folgt hier die Schilderung des Falls. Die Ausgangslage ist die folgende:

Ein Autoverkäufer wird verurteilt, an den Käufer eines Pkw’s 4.500 € Zug-um-Zug gegen die Rückgabe des betreffenden Pkw’s zu zahlen. Des weiteren wird der Verkäufer verurteilt, „im Rahmen der Rückabwicklung dieses Kaufvertrags dem Kläger materiellen Schaden in Höhe von 1.002,02 <sic> zu zahlen“. Aus diesem Betrag begehrte der Kläger nun 4% Verzugszinsen ab dem Tag, der auf den Verzugsbeginn folgt.

Wie muss das Gericht hinsichtlich der Verzugszinsen urteilen?

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Nicht verzagen, Redaktion fragen :-) – die Zweite …

Wieder einmal habe ich den Dialog mit der JuS-Redaktion gesucht und auch diesmal zeitnah eine Antwort erhalten – dafür mein Dank. Meine Anfrage lautete wie folgt:

Liebe JuS-Redaktion,
gestatten Sie, dass ich Ihnen eine Frage vortrage, die sich mir bei der Lektüre von Wünschig, (Original-)Assessorexamensklausur – Zivilrecht: Das Schloss der Betreuten (JuS 2019, 892ff.) gestellt hat.
Es heißt dort im Aktenauszug:
„Die Türöffnungspauschale von 155 Euro passt meines Erachtens zwar. Für eine zugefallene Tür nehmen die meisten Schlüsseldienste in Koblenz und Neuwied zwischen 75 Euro und 120 Euro (brutto). Dazu kommen aber nachts, an Feiertagen und am Wochenende noch Zuschläge zwischen 50 % und 100 %. Das steht so auch in einem Gutachten, das in einem Prozess der S-GmbH gegen eine Frau Müller vor dem AG Koblenz im Jahr 2011 eingeholt wurde und das ich in den alten Unterlagen der S-GmbH gefunden habe. Das beweist ja, dass der Preis ok ist.“
(JuS 2019, 892, 893)
Dazu steht in den Lösungshinweisen:
„Das der S bereits vorliegende Gutachten aus dem Prozess der S gegen Frau Müller aus dem Jahr 2011 wäre im Prozess gegen B nicht direkt als „Sachverständigenbeweis“ verwertbar. Als Gutachten aus einem anderen Verfahren dürfte es jedoch, sofern es dem Gericht vorgelegt wird und S sich darauf bezieht, als Urkunde iSv § 142 ZPO vom Gericht verwertet und insoweit als Grundlage der gerichtlichen Schätzung genutzt werden.“
(JuS 2019, 892, 900)
Mit Blick auf § 411a ZPO frage ich mich nun, ob nicht doch eine Verwertung als Sachverständigenbeweis in Betracht kommt. Reichold schreibt zu dieser Thematik:
„Die Bedeutung der Regelung liegt darin, dass gerichtlich od staatsanwaltschaftlich […] angeordnete Gutachten aus einem anderen Verfahren […] unmittelbar als Sachverständigenbeweis, nicht nur als Urkundenbeweis […] benutzt werden können.“
(Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 411a Rn. 2)
Mit freundlichen Grüßen und Dank für Ihre Bemühungen
Marie Herberger

Wie ist zu entscheiden?

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Sartorius: Einsortier-Alarm bei der 123. Ergänzungslieferung!

Das war ja zu befürchten: 14 Tage vor den Klausuren in der Zweiten juristischen Staatsprüfung trifft die 123. Ergänzungslieferung zum Sartorius ein und man muss sie einsortieren, da man laut den Bedingungen in der Ladung zu den Klausuren mit dem Sartorius auf aktuellem Stand zu erscheinen hat:

Die Loseblatt- und Textausgaben der Gesetzessammlungen müssen – soweit nichts anderes angegeben ist – auf dem neuesten Stand sein.

(Fettdruck im Original!)

Nach der Einordnungsanweisung zur Sartorius-Ergänzungslieferung sind 165 Blätter herauszunehmen und 174 Blätter einzufügen, eine doch ziemlich umfangreiche und zeitraubende Operation. Aber stimmt die Zahl 165 für die Anzahl der zu entnehmenden Blätter?

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Zum Feststellungsinteresse bei § 256 Abs. 1 ZPO im Falle von Zukunftsschäden

Schuschke/Kessen/Höltje, Zivilrechtliche Arbeitstechnik im Assessorexamen, 35. Aufl. 2013, Rn. 960 schreiben:

Wird die Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden begehrt, ist das Feststellungsinteresse schon dann gegeben, wenn künftige Schadensfolgen möglich sind, mögen Art und Umfang auch noch ungewiss sein.

Ist hier eine differenziertere Betrachtungsweise angezeigt?

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Rechtsbeugung – bis zu 20 Jahre Haft?

Der „Pfälzische Merkur“ berichtet über ein aktuelles Verfahren wegen Rechtsbeugung wie folgt:

Der 58-Jährige sah sich auch im Einklang mit dem Gesetz, nach dem ein Richter Bewährungsauflagen auch nachträglich ändern oder aufheben darf. Mehr noch: Das Vorgehen gegen ihn hielt er für einen „Frontalangriff auf die richterliche Unabhängigkeit“ – ausgelöst durch Meinungsverschiedenheiten, die er immer mal wieder mit der Staatsanwaltschaft hatte, und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn, die nun in dem Verfahren wegen Rechtsbeugung vor der Großen Strafkammer gipfelte. Zumal der Vorwurf der Rechtsbeugung vom Gesetz als Verbrechen eingestuft wird und – ähnlich wie bei einem Raub – mit bis zu 20 Jahren Freiheitsentzug bestraft werden kann. Prozessbeobachter haben aber Zweifel, ob es sich hier überhaupt um Rechtsbeugung handelt.

Stimmt es, dass bei Rechtsbeugung 20 Jahre Freiheitsentzug drohen?

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