Der „Pfälzische Merkur“ berichtet über ein aktuelles Verfahren wegen Rechtsbeugung wie folgt:
Der 58-Jährige sah sich auch im Einklang mit dem Gesetz, nach dem ein Richter Bewährungsauflagen auch nachträglich ändern oder aufheben darf. Mehr noch: Das Vorgehen gegen ihn hielt er für einen „Frontalangriff auf die richterliche Unabhängigkeit“ – ausgelöst durch Meinungsverschiedenheiten, die er immer mal wieder mit der Staatsanwaltschaft hatte, und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn, die nun in dem Verfahren wegen Rechtsbeugung vor der Großen Strafkammer gipfelte. Zumal der Vorwurf der Rechtsbeugung vom Gesetz als Verbrechen eingestuft wird und – ähnlich wie bei einem Raub – mit bis zu 20 Jahren Freiheitsentzug bestraft werden kann. Prozessbeobachter haben aber Zweifel, ob es sich hier überhaupt um Rechtsbeugung handelt.
Stimmt es, dass bei Rechtsbeugung 20 Jahre Freiheitsentzug drohen?
Das ist natürlich nicht so, wie sich aus § 339 StGB ergibt:
Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
Also: Höchststrafe bei Rechtsbeugung fünf Jahre.
Es ist schwer nachvollziehbar, wie man bei einer journalistischen Recherche auf eine Höchststrafe von 20 Jahren kommen kann. Schließlich landet man mit der Google-Recherche „Rechtsbeugung“ direkt beim einschlägigen § 339 StGB, dessen Wortlaut hinsichtlich der Höchststrafe auch für Leserinnen und Leser eindeutig ist, die nicht zur juristischen Zunft gehören.
Bei Raub, für den der Bericht im „Pfälzischen Merkur“ gleichfalls eine Höchststrafe von 20 Jahren Freiheitsentzug annimmt, ist die Informationslage nach der Lektüre von § 249 StGB nicht so eindeutig wie bei § 339 StGB. Denn § 249 StGB benennt keine Höchststrafe:
(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Also: Im Regelfall Freiheitsstrafe „nicht unter einem Jahr“ und in minder schweren Fällen sechs Monate bis zu fünf Jahren. Das ist keine Aussage zur möglichen Raub-Höchststrafe. Die Antwort auf die Frage nach der möglichen Höchststrafe gibt § 38 StGB:
(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht.(2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.
Also ist die mögliche Höchststrafe bei Raub 15 Jahre, und nicht 20 Jahre wie vom „Pfälzischen Merkur“ berichtet.
Zugegebenermaßen: Ohne Zusatzinformationen ist die Höchststrafe bei Raub – anders als bei Rechtsbeugung – allein durch die Lektüre von § 249 StGB nicht zu gewinnen. Aber warum sollten Journalistinnen und Journalisten bei einer solchen Sachlage nicht Juristinnen oder Juristen fragen? Oder vielleicht auch Referendarinnen oder Referendare?
Man sollte zudem eigentlich annehmen, dass das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren allgemein bekannt ist – zumindest unter denjenigen, die sich auch nur am Rande mit strafrechtlichen Sanktionen beschäftigen oder über solche Themen berichten wollen.
Leider ist das Niveau der Gerichtsberichterstattung erschreckend oft schlicht erschütternd und von weitgehendem Unverständnis der Vorgänge geprägt, über die da berichtet wird.
Wie stets mein Dank für Ihre Einschätzung.