Archiv für Oktober 2019

Krankheit im Urlaub – Frist für das ärztliche Attest?

Der heute zu besprechende Fall ist mir aktuell begegnet. Und ich wurde wie üblich mit dem Satz „Du bist doch Juristin …“ um eine Einschätzung gebeten.

Es geht um folgenden Sachverhalt: Eine Ärztin erkrankt im Urlaub. Sie reicht das ärztliche Attest über ihre Erkrankung am dritten Tag nach Krankheitsende bei ihrem Dienstvorgesetzten ein (nicht per SMS oder Whatsapp, sondern in Papierform) und beantragt, die durch Krankheit ausgefallenen Urlaubstage in ihrem Urlaubsbudget zu belassen (Antrag auf Nachgewährung des entgangenen Urlaubs). Die zuständige Personalabteilung lehnt diesen Antrag ab und vertritt unter Bezugnahme auf § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) die Auffassung, dass das Attest über die Arbeitsunfähigkeit bereits ab dem ersten Krankheitstag vorgelegt werden müsse. Dem entsprechend sei wegen Fristversäumnis der Antrag auf Nachgewährung des entgangenen Urlaubs abschlägig zu bescheiden.

Wie ist die Rechtslage?

Weiterlesen

Verlobung oder Verlöbnis?

Heute mal wieder „Frage und Antwort“.

Die Frage lautet:
 
Ist „Verlobung“ gleich „Verlöbnis“?
 
Was würdet ihr antworten, wenn der Prüfer das fragt?
 
(Dass man natürlich spontan denken wird „Muss das wirklich sein?“, hilft nicht wirklich weiter. Wohl aber hoffentlich die Lektüre des Folgenden.)

„iura novit curia“ oder „curia novit iura“?

Ab und an kann der ein oder andere lateinische Spruch in juristischen Argumentationen genutzt werden. Es soll Korrektoren geben, die das schätzen. Wichtig ist dann aber, dass der lateinische Spruch korrekt wiedergegeben wird.

Deshalb will ich heute der Frage nachgehen, ob man „iura novit curia“ oder „curia novit iura“ schreiben sollte.

Vorweg: Diese Parömie heißt übersetzt „Das Gericht kennt das Recht“. Dazu der BGH:

Entgegen der Ansicht der Bekl. entfielen die genannten Pflichten nicht deshalb, weil das Gericht seinerseits zur umfassenden rechtlichen Prüfung des Falls unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur verpflichtet war. Schon nach der ZPO ist Aufgabe des Anwalts nicht nur die Beibringung der Tatsachengrundlage für die vom Richter zu treffende Entscheidung. Das zeigt etwa die Vorschrift des § 137 II ZPO, die gem. § 525 ZPO auch im Berufungsrechtszug gilt. Nach § 137 II Halbs. 2 ZPO haben die Vorträge der Parteien das Streitverhältnis auch in rechtlicher Beziehung zu umfassen. Der in diesem Zusammenhang oft zitierte Satz „iura novit curia” betrifft das Verhältnis der juristisch nicht gebildeten Naturalpartei zum Gericht […]. Der Anwalt hat dagegen – ebenso wie der Richter – die Befähigung zum Richteramt oder eine gleichwertige Qualifikation (§ 4 I BRAO). Der Anwaltszwang (§ 78 ZPO), der die Prozessparteien mit zusätzlichen Kosten belastet und ihren Zugang zu den staatlichen Gerichten einschränkt, wäre nicht zu erklären, wenn Aufgabe des Anwalts allein die Beibringung des Tatsachenmaterials wäre und nicht auch die rechtliche Durchdringung des Falls. Vor allem aber richten sich die Pflichten des Anwalts nicht nur nach der ZPO, sondern auch und sogar in erster Linie nach dem zwischen ihm und dem Mandanten geschlossenen Vertrag. Ein Vertrag über die Vertretung in einem Berufungsverfahren umfasst das nach der ZPO für die Wahrung der Rechte des Mandanten notwendige Minimum, also insbesondere die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung und die Antragstellung, erschöpft sich hierin jedoch nicht. Nach der Verkehrsauffassung (§§ 133, 157 BGB) kann der Mandant, der einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte im Berufungsverfahren beauftragt hat, mehr als nur die schlichte Antragstellung verlangen. Der Mandant erwartet und darf erwarten, dass der Anwalt auch die rechtlichen Grundlagen des Falls durchdenkt. 

(BGH, Urt. v. 18.12.2008, IX ZR 179/07, NJW 2009, 987, 988, Hervorhebung nicht im Original)

Wir können festhalten: Die beschriebene Parömie betrifft das Verhältnis zwischen der juristisch nicht gebildeten Naturalpartei und dem Gericht. Der Anwalt darf sich damit nicht beruhigen.

Aber nun zu unserer eigentlichen Frage, ob man „iura novit curia“ oder „curia novit iura“ schreiben sollte.

Weiterlesen

Wo steht „Wer Solidarität sagt, will etwas haben“?

Heute geht es um das Thema „Suche nach einem Beleg“.

Anhand eines Beispiels soll gezeigt werden, wie man vorgehen könnte, um relativ schnell eine zitierfähige Belegstelle zu finden. Der Gedanke ist zwar naheliegend und einfach, aber praktisch doch sehr nützlich.

 

Steiner schreibt:

Wer „Solidarität“ sagt, will von anderen etwas haben, soll Michael Stolleis formuliert haben. Dies ist bewusst pointiert ausgedrückt. Gegenbeispiele lassen sich in Staat und Gesellschaft dankenswerterweise durchaus finden. Der Satz steht aber charakteristisch für eine öffentliche Diskussion, in der mehr Solidarität eingefordert als angeboten wird.

(Solidarität als Rechtsbegriff in den Systemen der sozialen Sicherheit
in: Subsidiarität – Sicherheit – Solidarität, Festgabe für Franz-Ludwig Knemeyer zum 75. Geburtstag, hrsg. v. Eric Hilgendorf/Franz Eckert, Würzburg 2012, S. 489, 493 f.)
 
Zu diesem Text drängen sich zwei Fragen auf:
 
1. Hat Michael Stolleis das wirklich „formuliert“?
 
2. Wenn ja: Wo hat er es „formuliert“?

Weiterlesen