Heute setze ich die „Frage und Antwort“-Reihe folgender Frage fort:
Ist die Analogie im Strafrecht verboten?
Es handelt sich auf den ersten Blick um eine einfache Frage, die aber – wie so viele juristische Antworten – differenziert betrachtet werden muss.
Ausgangspunkt ist Art. 103 Abs. 2 GG:
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
Insofern spricht man von „nulla poena sine lege“. Aus der Formulierung „gesetzlich bestimmt“ wird nun ein Verbot analoger Strafbegründung und Strafschärfung abgeleitet (nullum crimen sine lege stricta).
Zugunsten des Täters sind aber Analogien zulässig, also bei Rechtfertigungs-, Strafmilderungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründen.
Betrachten wir zum Schluss noch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Analogieverbot im Strafrecht:
Das Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit schließt nach der Rechtsprechung eine analoge oder gewohnheitsrechtliche Strafbegründung aus. Dabei ist „Analogie“ nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechts-„Anwendung“, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Art. 103 Abs. 2 GG zieht der Auslegung von Strafvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Wenn, wie gezeigt, Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten verlangt, so kann das nur bedeuten, daß dieser Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen ist.
(BVerfG Urt. v. 11.11.1986, 1 BvR 713/83, 921, 1190/84 und 333, 248, 306, 497/85, BVerfGE 73, 206, 235)
Man könnte also auf die Ausgangsfrage antworten: Im Strafrecht ist nur die Analogie zu Ungunsten des Täters verboten, die zu Gunsten des Täters ist möglich.
[…] Ist eine Analogie im Strafrecht verboten? […]