Kaiser/Kaiser/Kaiser schrieben in „Materielles Zivilrecht im Assessorexamen“, 6. Aufl. 2012, S. 157 (vgl. zur Textfassung jetzt das P.S.):
Wenn zwischen Hersteller und Leasinggeber ein Handelsgeschäft iSv § 377 HGB vorliegt, der Leasingnehmer selbst aber kein Kaufmann ist, verstößt eine Abwälzung der Rügepflicht auf den Leasingnehmer gegen § 307 BGB, wenn sich die Rügepflicht auch auf nicht offensichtliche Mängel bezieht. Hält der Hersteller dem Leasingnehmer dann zu Recht die unterlassene Mängelrüge durch den Leasinggeber entgegen, kann der Leasingnehmer nach der mietrechtlichen Gewährleistung gegen den Leasinggeber vorgehen.
Hier hatte sich eine seinerzeit nicht unübliche Formulierung eingeschlichen, über die sich mein Professor in der Handelsrechts-Vorlesung immer sehr geärgert hat. Hat jemand eine Idee, was hier verbesserungswürdig war?
Korrekt, es geht um die Differenzierung zwischen Pflicht und Obliegenheit. Die Rede ist hier von „Rügepflicht“. Doch handelt es sich in § 377 HGB tatsächlich um eine Rügepflicht?
Schauen wir uns zunächst § 377 Abs. 1 HGB an:
Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
Was passiert, wenn ein Mangel nicht gerügt wird? Dazu § 377 Abs. 2 HGB:
Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
Daraus folgt: Es besteht keine Pflicht, einen Mangel zu rügen. Erfolgt die Rüge allerdings nicht, gilt die Ware grundsätzlich als genehmigt. Daran erkennen wir, dass in § 377 HGB eine sog. Rügeobliegenheit geregelt ist.
Den Unterschied zwischen Pflichten und Obliegenheiten erklärt Lorenz wie folgt:
Letztere [Obliegenheiten, M.H.] unterscheiden sich von Rechtspflichten dadurch, dass sie keine Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner begründen, sondern ein bestimmtes Tun oder Unterlassen, zu welchem der Schuldner aber nicht verpflichtet ist, mit negativen Konsequenzen für diesen belegen. Der Schuldner ist frei, einer Obliegenheit zuwider zu handeln und dafür auch anders als bei einer Pflichtverletzung nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Er hat dann aber auch die Konsequenzen seines Verhaltens zu tragen.
Und dass es sich bei § 377 HGB tatsächlich um eine Obliegenheit und nicht um eine Pflicht handelt, bestätigt uns Rüßmann:
Von der Rechtsnatur her handelt es sich bei der Rügelast um eine Obliegenheit, nicht um eine Pflicht (hM, z.B. Wiedemann/Fleischer, PdW Handelsrecht, Nr. 474).
Also: Sogar herrschende Meinung!
P.S. In der aktuellen Auflage des zitierten Kaiser-Skripts ist übrigens mittlerweile auch von Rügeobliegenheit die Rede.
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