§ 767 Abs. 2 ZPO: Präklusion bei einem Prozessvergleich?

Betrachten wir heute das folgende Urteil des AG Darmstadt vom 28.02.2019 (Az. 308 C 7/19):

Die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsvergleich des Amtsgerichts Darmstadt vom 06.11.2006 zu Aktenzeichen 310 C 342/06 wird für unzulässig erklärt, soweit die Räumung und Herausgabe aus dem Titel betrieben werden soll.

[…]

Die Verwirkung beruhend auf § 242 BGB ist grundsätzlich eine Einwendung, die geeignet ist, die Begründetheit einer Vollstreckungsgegenklage eintreten zu lassen, da es sich um einen Umstand handelt, der erst nach Erlangung des Titels entstehen kann und somit niemals der Präklusion unterliegen kann (Vgl. Herget in Zöller § 767 Rn. 11, 12).

Worüber könnte man hier stolpern?

Fangen wir mit § 767 ZPO an:

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

Vorliegend geht es um die in § 767 Abs. 2 ZPO geregelte Präklusion. Aber Vorsicht! § 767 Abs. 2 ZPO ist auf Prozessvergleiche gar nicht anwendbar:

Die Präklusion nach II greift nicht bei Titeln ohne Rechtskraftwirkung: Prozessvergleich (BGH MDR 87, 933)

(Herget in Zöller, 33. Aufl. 2020, § 767 ZPO, Rn. 20)

Doch warum ist § 767 Abs. 2 ZPO auf Prozessvergleiche nicht anwendbar? Das fasst Schultheiß schön wie folgt zusammen:

Häufig wird in vollstreckungsrechtlichen Klausuren die Frage nach der Präklusion gem. § 767 II ZPO aufgeworfen. Wird Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozessvergleich erhoben, wendet der Beklagte (Vollstreckungsgläubiger) in der Regel ein, dass der Kläger (Schuldner) mit seinem Vorbringen präkludiert sei. Für den Vergleich existiert im Unterschied zur vollstreckbaren Urkunde (vgl. dazu § 797 IV ZPO) keine explizite Regelung, die die Anwendung des § 767 II ZPO ausschließt. Allerdings folgt die Unanwendbarkeit des § 767 II ZPO aus dem Telos der Norm: Die Präklusion dient dem Zweck, die Rechtskraftwirkung unanfechtbarer Entscheidungen zu sichern. Sie kann damit nur gegenüber Titeln gelten, die überhaupt der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) fähig sind. Der Prozessvergleich ist jedoch der formellen Rechtskraft nicht fähig (vgl. § 705 ZPO), die Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft wäre. Somit kann die Präklusionswirkung des § 767 II ZPO auch den Prozessvergleich nicht erfassen.
(JuS 2015, 318, 321)

Wir sollten uns also merken: Bei einer Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen Prozessvergleich richtet, stellt sich die Problematik rund um die in § 767 Abs. 2 ZPO geregelte Präklusion nicht.

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