Heute geht es mal wieder um einen Fall aus der Praxis. Die Geschichten, die das juristische Leben schreibt, sind halt doch immer noch die besten. Zugegebenermaßen handelt es sich um einen (hoffentlich) eher selten anzutreffenden Typ von Fehlentscheidung, aus der man dennoch etwas lernen kann. Beim Amtsgericht – Familiengericht – Germersheim stand eine Scheidung an. Da die Antragsgegnerin nicht zu dem Scheidungstermin erschienen ist, hat der Richter beschlossen:
1. Die Antragsgegnerin hat die durch ihr Fernbleiben zum heutigen Termin entstandenen Mehrkosten zu tragen.
2. Gegen sie wird wegen Nichterscheinens ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,– Euro, ersatzweise 4 Tage Ordnungshaft, festgesetzt.
3. Ordnungsmittel gegen Rechtsanwälte sieht das Gesetz nicht vor.
Was ließe sich dazu sagen?
Genau, es geht um die Frage, ob in diesem Fall Ordnungshaft festgesetzt werden darf. Das hätte nicht geschehen dürfen, denn in § 128 Abs. 4 FamFG („Persönliches Erscheinen der Ehegatten“) heißt es:
Gegen einen nicht erschienenen Ehegatten ist wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen zu verfahren; die Ordnungshaft ist ausgeschlossen.
Das ist ziemlich deutlich und mal ein klarer Fall für einen klaren Wortlaut. Dementsprechend hat der Richter das dann auch gleich eingesehen und korrigiert. Allerdings war der Schock der Mandantin groß, die sich auf ein Ordnungsgeld eingerichtet hatte, aber nicht damit gerechnet hatte, ggf. vier Tage im Gefängnis verbringen zu müssen.
Was lernen wir aus diesem Fall? Die einfache Lektüre des Gesetzes kann häufig helfen, richtige Entscheidungen zu treffen :-). Wieder bestätigt sich die alte Regel, die mehr als ein Kalauer ist: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
P.S. Manchmal muss sich sogar das Bundesverfassungsgericht mit Fällen befassen, in denen allem Anschein nach die sorgfältige Lektüre des Gesetzes unterblieben ist.
Die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, den Umfang der Mitverpflichtung im Sinne von § 1357 Abs. 3 BGB getrennt lebender Ehegatten auf die Vorschrift des § 1357 Abs. 1 BGB zu stützen, ist unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar. Schon die offensichtlich einschlägige Norm des § 1357 Abs. 3 BGB hat das Amtsgericht trotz ausdrücklichen Vortrags nicht berücksichtigt. Danach entfällt bei Getrenntleben im Sinne des Nichtbestehens der häuslichen Gemeinschaft die Berechtigung des Ehegatten zur wechselseitigen Verpflichtung für Rechtsgeschäfte, die ihrer Art nach einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft haben (vgl. nur Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 1357, Rn. 9).
BVerfG, Beschl. v. 08.10.2015, 1 BvR 455/14, Rn. 12, juris
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