Heute soll wieder einmal ein Zeitungsartikel Anlass für unsere Überlegungen sein. Anfang des Jahres titelte die Bild-Zeitung:
Marketing-Agentur in Wiesbaden
16-Jähriger ist Firmen-Chef!
In dem Artikel hieß es dann:
Seine Eltern unterstützen die Idee. Doch damit er in Deutschland eine Firma gründen kann, musste Fynn vor dem Gesetz voll geschäftsfähig werden: „Seit Herbst 2020 lief mein Antrag am Familiengericht zu meiner uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit als Minderjähriger. Nach einer Anhörung im Dezember erhielt ich dann als „Weihnachtsgeschenk“’ die Zusage.“
Uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit als Minderjähriger? Was könnte man aus juristischer Sicht zu diesem Zitat sagen?
Bei dem Verfahren, das hier angesprochen wird, geht es um das familiengerichtliche Genehmigungsverfahren nach § 112 BGB:
(1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf.
(2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit Genehmigung des Familiengerichts zurückgenommen werden.
Die Vorschrift definiert eine Prozedur, mit Hilfe derer einem Minderjährigen der selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermöglicht werden kann. Doch ist die Rechtsfolge wirklich die „uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit als Minderjähriger“? Der Wortlaut von § 112 Abs. 1 S. 1 BGB klingt nicht danach – dort ist von einer unbeschränkten Geschäftsfähigkeit für die Rechtsgeschäfte die Rede, die der Betrieb des Geschäftsbetriebs mit sich bringt. Das ist eine wichtige Einschränkung. Deshalb spricht man im Kontext von § 112 BGB von der sog. partiellen Geschäftsfähigkeit. Also konnte sich der Jungunternehmer zu Weihnachten über die partielle Geschäftsfähigkeit freuen, aber nicht über die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit.
Danke für die Erörterung. Ich finde die bisherige Terminologie im Bereich §§ 112, 113 BGB nicht selbsterklärend genug (bei der partiellen Geschäftsfähigkeit zB lernt man bestenfalls auch die relative Geschäftsfähigkeit (MM) dazu. Das macht es leichter, zu wissen, in welche Dimension die Partialität geht).
Abgesehen davon verwendet die Bild unglücklicherweise das Wort „unEINgeschränkt“. Das ist juristisch überhaupt nicht definiert, weil es unüblich ist.