Wer sich über aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sehr schnell informieren wollte, hatte noch vor gar nicht so langer Zeit nur zwei Möglichkeiten. Ganz direkt konnte man auf die Pressemitteilungen des Bundesgerichtshofs zurückgreifen. Anschließend musste man dann unterschiedlich lange Zeit auf die Veröffentlichung der Gründe warten. Nun gibt es eine zusätzliche Möglichkeit, für ausgewählte Entscheidungen zeitnah vor Veröffentlichung der Gründe etwas über die Erwägungen des Gerichts zu erfahren.
Diese Möglichkeit ergibt sich daraus, dass es im Internet Aufzeichnungen von der Urteilsverkündung geben darf. Die Rechtsgrundlage für diese Veröffentlichungsform ist in § 169 GVG zu finden. Die allgemeine Regel in Absatz 1 S. 2 lautet:
Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.
Daran schließen sich dann Ausnahmen an. So kann von dem Gericht die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, zugelassen werden (§ 169 Abs, 1 S. 3 GVG). Außerdem können von dem Gericht Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt (§ 169 Abs. 2 S. 1 GVG).
In § 169 Abs. 3 S. 1 GVG findet sich dann eine Sonderregelung für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen.
Von dieser Möglichkeit hat der Bundesgerichtshof inzwischen mehrfach Gebrauch gemacht. Man findet diese Aufzeichnungen im Phoenix-Kanal.
Wie man dort sehen kann, handelt es sich bereits um eine stattliche Sammlung.
Mir scheint es sinnvoll zu sein, diese Videos als „Lernbausteine“ in das Jura-Studium einzubeziehen. Schließlich ist „multimodales Lernen“ aus guten Gründen empfehlenswert. Dazu noch ein Zusatztipp: Da die Videos bei Youtube aufliegen, steht dort in den Untertiteln eine Sprachdeskription zur Verfügung. Diese Texte kann man abspeichern und lesen, wenn man sich einmal in aller Schnelle über das bei der Verkündung gesprochene Wort informieren will. Diesbezüglich ist aber Vorsicht geboten. Bei der Verkündung des BGH-Urteils vom 22.03.2021 zum Elektronischen Anwaltspostfach versteht die für die „Sprache zu Text“-Transformation verantwortliche Software (womöglich auf „Künstlicher Intelligenz“ basierend) statt „beA“ schon mal „Bier“, z.B. so:
Zum anderen ist das Bier als Drittprodukt am OSCI-gestützten elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich registriert.
Da kommt einem fast die Devise „Gerechtigkeit und kühles Bier“ in den Sinn. Diese wird im Comic „Le juge“ aus der Reihe Lucky Luke zitiert, der vom „Richter“ Roy Bean handelt. Darauf hat Ingrid Schmidt, die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, bei einem Vortrag 2009 Bezug genommen und dann noch den Wunsch hinzugefügt, Gott möge uns vor Juristen bewahren, die mit dem Kater Garfield meinten: „Wenn ich schon keine Ahnung habe, dann will ich wenigstens Verwirrung stiften.“
Aber das ist ja ersichtlich eine andere Geschichte.
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