In der FAZ war kürzlich zu lesen:
Die Pläne für eine striktere Regulierung der Internetunternehmen Google, Amazon, Apple und Facebook in der EU schreiten voran. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich nach Informationen der F.A.Z. auf ein neues Gesetz für digitale Dienste geeinigt . Das Gesetz verbietet den Konzernen rund zwanzig Verhaltensweisen, etwa eigene Dienste in Rankings besserzustellen oder den Zugang zum App Store mit Bedingungen zur Abrechnung zu verknüpfen. Die EU-Wirtschaftsminister sollen die Regeln am 25. November annehmen.
Striktere Regulierung für Internetunternehmen, FAZ 28.10.2021, S. 1
Kann es da um ein „Gesetz“ gehen?
Auf den ersten Blick würde man denken, dass es stricto sensu nicht um ein Gesetz gehen kann. Denn Art. 288 AEUV kennt das „Gesetz“ nicht:
Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an.
In terminologischer Hinsicht ist aber Vorsicht geboten. Denn Art. 294 AEUV spricht vom „Gesetzgebungsverfahren“:
(1) Wird in den Verträgen hinsichtlich der Annahme eines Rechtsakts auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Bezug genommen, so gilt das nachstehende Verfahren.
(2) Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag.
Man muss also folgern, dass beispielsweise Verordnungen und Richtlinien ein „Gesetzgebungsverfahren“ durchlaufen. Macht sie dieser Umstand zu Gesetzen? Wie vertrackt die terminologische Lage ist, kann man in dem Erklärvideo des Deutschen Bundestags zum Thema „Einfach erklärt: EU-Richtlinien und EU-Verordnungen“ sehen. Im Begleittext zu diesem Video heißt es:
Gesetze auf Ebene der Europäischen Union nennt man EU-Richtlinien und EU-Verordnungen. Diese sogenannten EU-Rechtsakte haben großen Einfluss auf unser Leben in Deutschland.
Im Video selbst aber wird gesagt:
Diese Entscheidungen werden nicht Gesetze genannt, sondern Rechtsakte.
Betrachten wir in dem Bemühen, terminologische Klarheit zu gewinnen, den Titel des Vorschlags der Kommission in der Sache.
Die deutsche Version lautet:
Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte)
Die französische Version hat folgenden Wortlaut:
Proposition de RÈGLEMENT DU PARLEMENT EUROPÉEN ET DU CONSEIL
relatif aux marchés contestables et équitables dans le secteur numérique (législation sur les marchés numériques)
In der englischen Version lesen wir:
Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL
on contestable and fair markets in the digital sector (Digital Markets Act)
Also Übereinstimmung hinsichtlich der Einordnung als Verordnung, Règlement, Regulation. Und was den Klammerzusatz angeht: Da ist das französische „législation“ wohl die präziseste Variante. Deswegen wäre es auch besser gewesen, in der deutschen Fassung in der Klammer statt „Gesetz“ zu schreiben: Rechtsakt.
Dies alles sei vorgetragen mit der Bitte um Nachsicht für diese kleine Fingerübung in Sachen EU-Terminologie.
Hallo Marie!
Ich habe deinen Beitrag auf Twitter gepostet. Winfried Veil hat dazu folgendes angemerkt: https://twitter.com/winfriedveil/status/1472151577679081476
Zu deiner Info!
BG,
Kevin
Hallo Kevin,
mein herzlicher Dank für die erweiterte Öffentlichkeit!
Viele Grüße
Marie