Die folgenden Zitate haben eine Gemeinsamkeit: Sie arbeiten alle mit einer problematischen Formulierung. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Zitate:
Der Vorrang der Nacherfüllung vor einem Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag bzw. Schadensersatz wegen Schlechterfüllung nach §§ 434 Abs. 1. 437 Abs. 1 BGB gegenüber den Gestaltungsrechten des Rücktritts und der Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB) sowie für die Ansprüche des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) folgt daraus, dass diese Rechte des Käufers regelmäßig den Ablauf einer dem Verkäufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung voraussetzen.
(OLG Brandenburg, Urt. v. 15.3.2019, 7 U 94/18)
Ein Anspruch auf Rücktritt wegen nicht erbrachter Leistung gem. § 323 I BGB mit der Folge, dass die Kl. gem. § 346 I BGB die bereits empfangene Leistung zurück zu gewähren hätte, ergibt sich daraus nicht.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2017, I-16 U 104/16
Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag deshalb verneint, weil der Kläger dem Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese auch nicht entbehrlich war.
OLG Rostock, Beschl. v. 8.4.2008, 1 U 65/08
Denn anders, als beim Anspruch auf Rücktritt, wo eine Rückabwicklung nach den §§ 437 Ziff. 2, 440, 323, 346 BGB zu erfolgen hat, ist bei dem Schadensersatzanspruch nach § 437 Ziff. 3 BCSB ein Leistungsaustausch nicht anspruchsimmanent bzw. anspruchsbestimmend.
LG Aurich, Beschl. v. 10.11.2006, 2 O 1022/06
Welche problematische Gemeinsamkeit weisen alle diese Zitate auf?
Exakt, in allen Zitaten ist von „Anspruch auf Rücktritt“ die Rede. Sollten wir tatsächlich so formulieren? Nein. Es gibt keinen Anspruch auf Rücktritt. Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht. Mit den Worten von Lorenz:
Keinesfalls darf – wie gelegentlich selbst in Examensklausuren anzutreffen – ein „Anspruch auf Rücktritt” geprüft werden. Wer das tut, setzt sich dem Vorwurf eines Grundlagenfehlers aus, indem er den Charakter des Rücktrittsrechts als Gestaltungsrecht verkennt.
Lorenz, JuS 2011, 871, 874
Also: Vorsicht ist geboten.
Das Diktum von Lorenz finde ich etwas hart.
Es ist ja nicht so, als wäre das Gestaltungsrecht dogmatisch sauber durchgearbeitet. Das sieht man besonders schön, wenn man sich mal mit den abentuerlichen Konstruktionen einer Gestaltungsklage befasst. Oder mit der beliebten 767 II ZPO Problematik.