In Klausuren stößt man immer wieder auf Fragestellungen, die es argumentativ zu bewältigen gilt. Niemand erwartet, dass man zu allen denkbaren Problemen eine Lösung vorbereitet hat. Vielmehr sollte man in der Prüfungssituation versuchen, eine vertretbare Stellungnahme zu entwickeln. Das gelingt besonders gut, wenn man das Argumentieren vorher etwas geübt hat. In diesem Sinne wollen wir heute darüber nachdenken, auf welche Formvorschrift § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB verweist.
Schauen wir uns zunächst die Verweisung an:
§ 2301 BGB: Schenkungsversprechen von Todes wegen
(1) Auf ein Schenkungsversprechen, welches unter der Bedingung erteilt wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, finden die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Das Gleiche gilt für ein schenkweise unter dieser Bedingung erteiltes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der in den §§ 780, 781 bezeichneten Art.
(2) Vollzieht der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstands, so finden die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung.
§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB verweist auf die „Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen“. Auf der Wortlaut-Ebene ließe sich vertreten, dass damit sowohl die Formvorschrift für ein eigenhändiges Testament gemeint sein könnte (§§ 2231 Nr. 1, 2247 BGB) als auch die Formvorschrift für einen Erbvertrag (§ 2276 BGB). Beide Formvorschriften können als „Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen“ angesehen werden. Ein zusätzliches Argument kann nun aber aus der systematischen Stellung von § 2301 BGB gewonnen werden. Denn § 2301 BGB befindet sich im Buch 5 (Erbrecht) im Abschnitt 4 zum Erbvertrag. Die systematische Stellung von § 2301 BGB könnte also für eine Verweisung auf § 2276 BGB ins Feld geführt werden. Dieses Argument ließe sich freilich wiederum dadurch entkräften, dass der systematische Zusammung nicht genüge, um die Gleichstellung einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit einem Erbvertrag zu rechtfertigen. Das kleine Beispiel zeigt, dass man mit Wortlaut und System eine brauchbare Kernargumentation „bauen“ kann.
Zusätzlich ließe sich noch anführen, dass das Schenkungsversprechen wegen der Personenmehrheit eher einem Erbvertrag als einem Testament ähnelt.
(Ohne etwas von dem Beitrag wegnehmen zu wollen, sei für die Interessierten ergänzt, dass die h. M. von einer Verweisung auf §§ 2274 ff. BGB ausgeht (BeckOGK/Gomille, 1.3.2024, BGB § 2301 Rn. 41).)