Heute soll es mal wieder um eine familienrechtliche Fragestellung gehen, die sowohl in Klausuren als auch in der Praxis von Bedeutung sein kann. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass sich oft ein zweiter Blick auf den genauen Wortlaut einer Norm empfiehlt. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist § 1408 Abs. 1 BGB:
Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern.
Da drängt sich förmlich die Frage auf, ob auch Verlobte einen Ehevertrag schließen können.
Nach einer Wortlaut-Auslegung könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass Verlobte keinen Ehevertrag schließen können, schließlich ist in § 1408 Abs. 1 BGB von „Ehegatten“ die Rede und Verlobte sind keine Ehegatten. Allerdings ist auch der zweite Halbsatz von § 1408 Abs. 1 BGB in die Betrachtung einzubeziehen. Dort ist festgelegt, dass Ehegatten „insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern“ können. Aus der Formulierung „auch nach“ wird im Wege eines Umkehrschlusses gefolgert, dass Eheverträge schon vor Eingehung der Ehe geschlossen werden können (so z.B. die Argumentation von Milzer, in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1413 BGB Rn. 7).
Dieses Beispiel zeigt, dass man sich auch bei einem vermeintlich klaren Wortlaut nicht zu schnell auf ein Auslegungsergebnis festlegen sollte. Im Übrigen dürfte man bei einer lebensnahen Betrachtungsweise ohnehin zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht sein kann, dass nur Ehegatten die Möglichkeit eröffnet wird, einen Ehevertrag zu schließen. Dieses einleuchtende Ergebnis lässt sich dann, wie wir gesehen haben, bei einem zweiten Blick auf die Norm mit dem Wortlaut von § 1408 Abs. 1 BGB in Einklang bringen.
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