In den Strafrechts-Vorlesungen lernt man, dass kein Versuch in einer Klausur geprüft werden soll, ohne an einen potentiellen Rücktritt zu denken. Wenn man dann gedanklich zu dem Ergebnis kommt, dass im Bereich des Rücktritts vom Versuch ein Problem angesiedelt ist, stellt sich die Frage, wie man den Rücktritt in die Fallprüfung integriert. Dabei spielt insbesondere die Frage eine Rolle, wo man sich zu der Problematik des Fehlschlags äußert.
Dazu schreibt Hoven in der JuS 2013, 305 (306):
Ein Rücktritt scheidet notwendig aus, wenn der Versuch des Täters fehlgeschlagen ist. Während ein Teil der Literatur den Fehlschlag als Form einer mangelnden Freiwilligkeit des Rücktritts erfassen will, führt er nach überwiegender Ansicht bereits zum Ausschluss des normativen Anwendungsbereichs von § 24. Da es sich somit um einen per se nicht rücktrittsfähigen Versuch handelt, muss die Frage eines Fehlschlags der Rücktrittsprüfung vorangestellt werden.
Nach Hoven gibt es also zwei Prüfungsstandorte für den Fehlschlag des Versuchs:
(1) Ausschluss des normativen Anwendungsbereichs von § 24 StGB
(2) Mangelnde Freiwilligkeit
Besonders verbreitet ist die Variante (1), wie auch Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2012, § 16 Rn. 10 beschreibt:
Bevor die rücktrittsfähigen Versuche (unbeendeter und beendeter Versuch) im Hinblick auf die unterschiedlichen Rücktrittsvoraussetzungen voneinander abgegrenzt werden können, muss die „logisch vorrangige Frage“ beantwortet werden, „ob ein Rücktritt prinzipiell überhaupt … möglich ist.“ Diese Frage ist auch in einer strafrechtlichen Fallbearbeitung „nach vorne zu ziehen“, weil die Prüfung, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, es ermöglicht, nicht rücktrittsfähige Versuche auszuscheiden, bevor man den unbeendeten vom beendeten Versuch abgrenzen und das oft heikle Freiwilligkeitserfordernis prüfen muss. Freilich gilt dieser Aufbauvorteil nur für die klaren Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs […].
Und dann in Rn 22:
Die Notwendigkeit, in der Rücktrittsprüfung zunächst einen fehlgeschlagenen Versuch wegen erkannter Fortsetzungsmöglichkeit abzulehnen, ergibt sich in zahlreichen Übungsfällen.
Auch Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2014, § 37 Rn. 15 präferiert diese Vorgehensweise:
Nach der Rechtsprechung und h. M. schließt ein fehlgeschlagener Versuch von vornherein einen Rücktritt aus; dies lässt sich unschwer vor allem aus der Verdienstlichkeits- bzw. Gnadentheorie ableiten (Rn. 7). Deshalb gehört die Prüfung eines solchen Versuchs an den Anfang.
Es gibt daneben aber noch einen weiteren Prüfungsstandort, an dem man die Frage ansiedeln kann.
Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2013, 24. Kapitel Rn. 57:
I. Die Voraussetzungen des § 24 I 1 1. Var. StGB
1. Aufgeben der weiteren Tatausführung
a) Unvollständigkeit der bisherigen Tatausführung = kein beendeter Versuch
[…]b) Möglichkeit weiterer Tatausführung = kein fehlgeschlagener Versuch
[…]c) Unterbleiben weiterer Tatausführung
[…]2.Freiwilligkeit
[…]
Damit haben wir einen dritten Standort für die Prüfung des Fehlschlags gefunden:
(3) Unbeendeter Versuch: Möglichkeit weiterer Tatausführung
Auch diese Variante wird häufig genutzt, wie Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2012, § 16 Rn. 22 beschreibt:
Häufig wird der fehlgeschlagene Versuch erst geprüft, wenn es um die Frage geht, ob der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat […].
Es gibt also mindestens drei anerkannte Standorte, an denen wir die Problematik rund um den fehlgeschlagenen Versuch ansiedeln können:
(1) Ausschluss des normativen Anwendungsbereichs von § 24 StGB
(2) Mangelnde Freiwilligkeit
(3) Unbeendeter Versuch: Möglichkeit weiterer Tatausführung
Daraus kann man nun klausurtaktisch seine Konsequenzen ziehen.
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