Explosive Frage: Widerrufsrecht im Fernabsatz ohne Erwähnung in AGB?

Sogar mit RTL Explosiv kann man das Programm „Forschendes Jura-Lernen im Alltag“ durchführen.

Am 26. April 2016 hat RTL Explosiv bei Facebook ein Video zum Thema „SO <sic> erkennen Sie fragwürdige Online-Shops“ gepostet. Behandelt werden tragische Fälle, in denen statt des erhofften Designerkleids ein nicht den Erwartungen entsprechender „Fummel“ geliefert wird. In dem Bericht heißt es ab Minute 1:03:

Also ich würde mir erstmal durchlesen die AGB’s, hat der ein Widerrufsrecht. Das ist immer sehr gut, dann kann ich Ware zurückschicken ohne jegliche Gründe. Ist dies nicht der Fall, ist das nicht so gut erklärt, zu klein, würde ich die Finger davon lassen, weil da kann’s mir passieren, dass ich die Ware nicht zurückgeben kann.

Ist das wirklich so? Kann ich im Internet bestellte Ware nicht zurückgeben, wenn ich in den AGB’s nicht auf mein Widerrufsrecht hingewiesen werde?

Die Antwort lautet: Das Widerrufsrecht besteht unabhängig von den AGB’s.

In § 312g Abs. 1 BGB heißt es:

Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

Was ein Fernsabsatzvertrag ist, verrät uns § 312c BGB:

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

(2) Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.

Wir sehen: Wenn wir in einem Online-Shop einkaufen, dann schließen wir einen Fernabsatzvertrag. Aus § 312g Abs. 1 BGB ergibt sich dann unser Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB. Dort heißt es in Absatz 1 Satz 1:

Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat.

Ganz deutlich wird durch diese Formulierung, dass einem Verbraucher „durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt wird“ – AGB’s sind dafür nicht erforderlich.

In rechtlicher Hinsicht besteht also ein Widerrufsrecht, selbst wenn es in den AGB’s nicht erwähnt wird. Auch dann kann die Ware zurückgeschickt werden.

In tatsächlicher Hinsicht mag es aber so sein, dass seriöse Shops ihre Kunden besonders auf ihre gesetzlichen Rechte und damit auf ihr Widerrufsrecht hinweisen. Andererseits: Auch unseriöse Shops können mit diesen Rechten werben – die Frage ist dann eher, ob sich diese Rechte ohne größeren Aufwand durchsetzen lassen.

6 comments

  1. Besonders seriöser Leser sagt:

    Also der Hinweis auf das Widerrufsrecht ist gewissermaßen eine lobenswerte Serviceleistung besonders „seriöser Shops“??

    • klartext-jura sagt:

      Eine „besondere Serviceleistung“ ist der Hinweis auf gesetzliche Rechte immer. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Shop seriös sein muss. Das hängt von vielen anderen Faktoren ab.

  2. Besonders unseriöser Shopbetreiber sagt:

    Dann stimmt es also gar nicht, dass man gesetzlich zu ausführlichen und korrekten Informationen über das Widerrufsrecht verpflichtet ist (widrigenfalls einem nicht nur Rechtsnachteile im Verhältnis zum Vertragspartner, sondern auch Abmahnungen von Konkurrenten und ähnlich übles Zeugs drohen)?? Dann werde ich das natürlich sofort von meiner Homepage entfernen!

    • klartext-jura sagt:

      Danke für die kritische Nachfrage. Dazu zwei Anmerkungen meinerseits:

      1) Sich rechtstreu zu verhalten, ist auch eine „besondere Serviceleistung“. Denn es gibt ja auch Unternehmer, die sich gar nicht rechtstreu verhalten wollen :-).

      2) Die Ausgangsfrage war, ob die These stimmt, dass das Widerrufsrecht von der Erwähnung in den AGB abhängen würde. Richtig ist: Wer nicht über das Widerrufsrecht informiert, der verstößt gegen § 312d BGB iVm Art. 246a EGBGB. Das heißt aber nicht, dass ein Verbraucher, der bei einem Unternehmer kauft, der nicht über das Widerrufsrecht informiert, kein Widerrufsrecht hat.

  3. Besonders unseriöser Shopbetreiber sagt:

    Ooch. Schade.

  4. Besonders seriöser Leser sagt:

    Da bin ich aber erleichtert.

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