In Heft 4/2016 der JuS lesen wir:
Die unternehmerische Freiheit wird nicht nur durch das Deliktsrecht, sondern auch und gerade durch das Wettbewerbsrecht geschützt. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) soll Mitbewerber, Verbraucher und Marktteilnehmer vor „unlauteren geschäftlichen Handlungen“ schützen und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb wahren (vgl. § 1 UWG). Zentrale Vorschrift ist die Generalklausel des § 3 UWG, nach der unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind, sofern sie dazu geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
(Staake/von Bressensdorf, JuS 2016, 297, 298)
Folgen wir dem guten Rat, zitierte Paragraphen nachzulesen, geraten wir ins Grübeln. Denn im ganzen § 3 UWG ist das Wort „spürbar“ nicht zu finden. Wie erklärt sich das?
Weite Teile des UWG wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 02.12.2015 (BGBl. I S. 2158), in Kraft getreten am 10.12.2015 geändert. In der geltenden Fassung lautet § 3 Abs. 1 UWG:
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
Die vorher geltende Fassung von § 3 Abs. 1 UWG lautete hingegen:
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
Ergebnis also: In dem Aufsatz wird die nicht mehr geltende Fassung von § 3 Abs. 1 UWG paraphrasiert.
Bleiben wir beim gleichen Thema. In Heft 5/2016 der JuS heißt es:
Die wichtigste Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 477 dürfte auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts liegen: § 477 ist eine „Marktverhaltensregelung“ nach § 4 Nr. 11 UWG, so dass im Fall der Zuwiderhandlung zugleich ein Verstoß gegen § 3 UWG vorliegt, der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG sowie aus § 2 UKlaG nach sich ziehen kann.
(Lorenz, JuS 2016, 398, 400)
Wieder ein Blick ins aktuelle Gesetzbuch: § 4 Nr. 11 UWG existiert nicht mehr.
Interessant ist nun, ob der Regelungsinhalt des alten § 4 Nr. 11 UWG an eine andere Stelle im UWG „gewandert“ ist. § 4 Nr. 11 UWG aF lautete unter der Überschrift „Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen“ wie folgt:
Unlauter handelt insbesondere, wer
[…]
11.einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Dieser Passus befindet sich jetzt in § 3a UWG unter der Überschrift „Rechtsbruch“:
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
(Hervorhebung nicht im Original)
Weggefallen ist das „insbesondere“ und hinzugekommen ist „und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen„. Doch ist das wirklich neu?
Nein. Denn ursprünglich war § 4 Nr. 11 UWG aF iVm § 3 Abs. 1 UWG zu lesen und dieser lautete:
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
Also:
§ 4 Nr. 11 UWG aF + § 3 I UWG aF = § 3a UWG nF
Das waren zwei relativ klare Fälle. Komplizierter sieht es im folgenden Zitat aus:
Wettbewerber sind bezüglich solcher Gesetzesverstöße klagebefugt, weil die Kennzeichnungspflicht eine Marktverhaltensregelung iSv § 4 Nr. 11 UWG insoweit darstellt, als sie den Schutz der Mitbewerber vor einer Belastung mit höheren Entsorgungskosten infolge nicht gekennzeichneter Elektrogeräte durch andere Marktteilnehmer bezweckt.
(Hoffmann, NJW 2016, 548, 549)
Auch hier ist von dem nicht mehr geltenden § 4 Nr. 11 UWG die Rede. Das ist aber deswegen so, weil eine BGH-Entscheidung besprochen wird, in der § 4 Nr. 11 UWG (aF) anzuwenden war. Hier würde man sich bei einer Besprechung dieser Entscheidung nach der Gesetzesänderung eine Fußnote wünschen, die auf den genannten Umstand hinweist. Denn für die Frage, welche Präjudizwirkung der BGH-Entscheidung nach der Gesetzesänderung zukommt, muss man prüfen, ob der Regelungsgehalt der alten Fassung im Gesetz, wenn auch an anderer Stelle, aufrechterhalten wurde. Und nach der oben dargestellten „Formel“ kann die BGH-Entscheidung dem Inhalt nach weiter zitiert werden, obwohl es § 4 Nr. 11 UWG nicht mehr gibt.
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