Cäcilie Lüneborg definiert in einer Musterlösung in der JuS 2013, 434 (437) einen Sachmangel wie folgt:
Ein Sachmangel i. S. des § 434 liegt in jeder negativen Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.
Doch ist nach § 434 BGB eine Sache nur dann mangelhaft, wenn die Ist-Beschaffenheit für den Käufer nachteilig von der Soll-Beschaffenheit abweicht?
§ 434 I 1 BGB sagt dazu:
Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.
Daraus folgt: Die Sache ist nicht frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat.
Dem Wortlaut nach ist nichts dafür ersichtlich, dass die Ist-Beschaffenheit in nachteiliger Hinsicht von der Soll-Beschaffenheit abweichen muss. Aber bleibt es dabei?
Jaensch, Klausurensammlung Bürgerliches Recht, 2012, S. 127 stellt die Problematik wie folgt dar:
Nach § 434 I 1 BGB ist jede Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit ein Sachmangel. In der Regel ist die Abweichung für den Käufer nachteilig; zu seinem Schutz greifen die Gewährleistungsregeln. In Einzelfällen kann die Abweichung aber auch für den Käufer objektiv vorteilhaft sein […]. Da der Käufer in diesen Fällen nicht schutzbedürftig ist, wird erwogen, diese Fälle aus dem Gewährleistungsrecht herauszunehmen.
Dann zieht er § 434 BGB und Art. 2 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie heran:
§ 434 BGB sowie Art. 2 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthalten keine Einschränkung, ob die Beschaffenheitsabweichung für den Käufer nachteilig sein muss. Der Wortlaut der beiden Vorschriften legt nahe, auch für den Käufer objektiv vorteilhafte Abweichungen unter den Mangelbegriff zu fassen.
Weiter erläutert Jaensch:
Denn die Feststellung, was für den Käufer vor- und was nachteilig ist, kann nicht etwa aus der Sicht der objektiven Verkehrsauffassung (vgl. § 434 I 2 Nr. 2 BGB) getroffen werden, da der Mangel vorrangig von der Parteivereinbarung abhängt (§ 434 I 1 BGB).
So kommt Jaensch zu dem Ergebnis, dass auch objektiv vorteilhafte Beschaffenheitsabweichungen einen Mangel i.S.v. § 434 I 1 BGB darstellen können. Für die folgende Überlegung kommt es nicht darauf an, ob diese Ansicht „mehrheitsfähig“ ist.
Wir sehen: Wenn wir zur Prüfung eines Sachmangels die „Abweichungsformel“ einsetzen und uns darauf festlegen, dass nur eine negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit einen Mangel darstellt, ergeben sich klausurentaktisch folgende Konsequenzen:
a) Wir laufen Gefahr in einem Fall, in dem die Ist- von der Sollbeschaffenheit positiv abweicht, vorschnell einen Mangel abzulehnen, ohne die Problematik zu diskutieren.
b) In den Fällen, in denen die Ist-Beschaffenheit negativ von der Soll-Beschaffenheit abweicht, müssen wir definitorisch gar nicht festlegen, ob allein eine negative Abweichung in Frage kommt. Hier könnte man bspw. formulieren:
„Ein Sachmangel i. S.d. § 434 liegt jedenfalls in jeder für den Käufer negativen Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.“
Oder man formuliert wie Brors (JuS 2002, 355, 356):
Mangelhaft ist die Leistung dann, wenn sie in ihrer tatsächlichen Beschaffenheit von der vertraglichen Sollbeschaffenheit abweicht.
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