§ 683 S. 1 BGB: Interesse und wirklicher oder mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn

Heute geht es um die Frage, wie man § 683 S. 1 BGB in einer Klausur prüft. Ausgangspunkt ist wie immer der Gesetzestext:

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

Auffällig ist dabei, dass der Aufwendungsersatzanspruch nur dann bestehen soll, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Doch ist es tatsächlich erforderlich, dass Interesse und Wille kumulativ vorliegen?

Um diese Frage zu beantworten sollten wir uns in Erinnerung rufen, was unter Interesse zu verstehen ist. Das lässt sich aus folgender Aussage des BGH erschließen:

Die Geschäftsführung entsprach auch dem Interesse der Bekl., weil sie für sie objektiv nützlich war.

(BGH, Urt. v. 16.11.2007, V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683, 685)

Interesse-und-WilleWenn man nun für einen Aufwendungsersatzanspruch verlangen würde, dass die Übernahme der Geschäftsführung sowohl dem Interesse als auch dem Willen des Geschäftsherrn entspricht, so würde man ihn bevormunden. Das Interesse ist immer in dem zu sehen, was für den Geschäftsherrn objektiv nützlich ist. Würde man für einen Aufwendungsersatzanspruch verlangen, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers auch seinem Willen entspricht und dieser mit dem Interesse im Einklang stehen muss, so wäre der Geschäftsherr deutlich beschränkt.

Deshalb legt die herrschende Meinung § 683 S. 1 BGB korrigierend aus. Dazu Bergmann in Staudinger, § 683 BGB, 2015, Rn. 30:

§ 683 S 1 ist missverständlich gefasst. Seinem Wortlaut nach scheint die Vorschrift vorauszusetzen, dass die Übernahme der Geschäftsführung kumulativ Willen und Interesse des Geschäftsherrn entsprechen muss. […]

Hinter § 683 S 1 steht das strenge subjektive Prinzip […]. Maßstab der Geschäftsführung ist ausschließlich der wirkliche oder der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn […]. Das objektive Interesse begründet lediglich eine widerlegbare Vermutung dahin, dass das objektiv nützliche auch dem Willen des Geschäftsherrn entspricht.

Es stellt sich für uns dann die Frage, wie wir § 683 S. 1 BGB in einer Klausur prüfen sollten. Denise Wiedemann geht in der JA 2016, 494, 498 wie folgt vor:

Um Aufwendungen verlangen zu können, muss die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen (§ 683 S. 1 BGB).

Die Renovierung mag V objektiv nützlich und daher in deren Interesse sein.

Bei der Bestimmung des subjektiven Geschäftsherrnwillens legt die mietrechtliche Rechtsprechung strenge Maßstäbe an: Die bloße Duldung von Maßnahmen, zu deren Untersagung der Vermieter berechtigt wäre, genügt nicht. […]

Im Ergebnis lehnt Wiedemann einen Aufwendungsersatzanspruch ab, weil die Tätigkeit des Geschäftsführers zwar dem Interesse des Geschäftsherrn entsprach, nicht aber dessen Willen.

Für unsere Klausuren sollten wir aber versuchen, das Verhältnis von „Interesse“ und „Wille“ besser herauszuarbeiten. Dazu schreibt Sebastian Homeier in der JuS 2015, 230 (231):

Einer der elementaren Prüfungspunkte in diesem Teil der Klausur besteht darin, die Berechtigung des P zur Geschäftsführung richtig einzuordnen. Hierzu muss zunächst erkannt werden, dass der Wille des Geschäftsherrn dessen Interesse vorzugehen hat.

Wir können uns also merken: § 683 S. 1 BGB sollten wir in einer Klausur nicht wörtlich nehmen, sondern vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen Interesse und Wille auslegen.

2 comments

  1. -thh sagt:

    Bedeutet das im Ergebnis, dass es auf das Interesse letztlich nicht ankommt, weil das Interesse allein (ohne entsprechenden Willen) nicht genügt, es aber auch nicht erforderlich ist, wenn nur der Wille vorliegt (das Interesse also weder notwendig noch hinreichend ist)?

    Oder genügt der tatsächliche Wille alleine, der mutmaßliche Wille erfordert aber auch ein objektiv bestehendes Interesse? (So verstehe ich nach einem flüchtigen Blick die Kommentierung.)

    • klartext-jura sagt:

      Danke für das Interesse und Entschuldigung für die verspätete Antwort (Grippe).

      Es sind Fallkonstellationen denkbar, in denen es auf das Interesse ankommt, nämlich z.B. dann, wenn ein tatsächlicher Wille vorhanden ist, dieser aber unbeachtlich bleiben muss (vgl. § 679 BGB).

      Zum Verhältnis mutmaßlicher Wille / Interesse schreibt Seiler im MüKo, BGB, 6. Aufl. 2012, § 683 BGB, Rn. 10:

      „Der mutmaßliche Wille ergibt sich daher regelmäßig aus dem Interesse […].“

      Aus „regelmäßig“ folgt, dass der mutmaßliche Wille nicht zwingend ein objektiv bestehendes Interesse fordert.

      Oder in den Worten von Schulze, BGB, 9. Aufl. 2017, § 683 BGB, Rn. 6:

      „Mutmaßlich gewollt ist die Geschäftsbesorgung, wenn der Geschäftsherr ihr bei objektiver Beurteilung der Sachlage zugestimmt hätte. Da dies regelmäßig der Fall ist, wenn ihm die Geschäftsbesorgung objektiv nützlich ist, indiziert das objektive Interesse idR den mutmaßlichen Willen.“

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