Wer im Studium nach einem didaktisch geeigneten kompakten Lehrbuch für’s Erbrecht sucht, wird bei Mathias Schmoeckel (Erbrecht, 4. Aufl. 2017, Nomos) fündig.
Hervorzuheben sind in diesem Sinne die folgenden Punkte:
Schmoeckel arbeitet mit einem Frage-Antwort-Stil, der das problem-orientierte Mitdenken fördert. Da es sich um Fragen handelt, wie sie auch in der mündlichen Prüfung auftauchen können, trainiert man bei der Lektüre des Buches zugleich für diesen „Ernstfall“. Dem Frage-Antwort-Stil entsprechend gibt es am Ende des Buches (S. 231 – 263) Wiederholungs- und Vertiefungsfragen mit Antworten (!) – ein richtiges Lernbuch eben.
Zur Veranschaulichung der Textform arbeitet Schmoeckel hin und wieder mit Schaubildern. Das ist zu begrüßen.
Praktisch ist es zudem, dass alle Entscheidungen neben Fundstellen zusätzlich mit Aktenzeichen zitiert werden. Auf diese Weise kann man im (freien) Internet, zum Beispiel bei dejure.org, nach den Texten dieser Entscheidungen suchen und diese gegebenenfalls zur Vertiefung nachlesen.
Ebenfalls vorteilhaft für Studierende ist es, dass Schmoeckel bei weniger bekannten Gesetzen angibt, wo das betreffende Gesetz gefunden werden kann. Das spart beim Lernen wertvolle Zeit. Man könnte einen solchen Hinweis ebenfalls beim Verschollenheitsgesetz geben (S. 38). Es findet sich im Schönfelder Ergänzungsband unter Nummer 45.
Schmoeckel legt besonderen Wert auf rechtsvergleichende Hinweise, allerdings nur, wenn sie dabei helfen, „die Merkmale des deutschen Rechts besser erkennen zu können“ (S. 7). Da die mündliche Prüfung in der ersten juristischen Prüfung dem Ideal nach eine Verständnisprüfung sein soll, wird man daraus Nutzen ziehen können.
Die Fußnoten sind sparsam gehalten. Das ist unter Studienaspekten positiv, da man nicht mit Fußnoten lernt. Für die Hausarbeit muss man sich ohnehin mit anderem Material versorgen.
Wo Licht ist, ist (leider) auch Schatten. Die nachfolgenden kritischen Bemerkungen betreffen jedoch Aspekte, die den Wert des Buches für das Studium nicht grundsätzlich in Frage stellen.
Beim examensverdächtigen Thema „Digitaler Nachlass“ wird zwar relevante Literatur zitiert. Es fehlt aber der Hinweis auf die einschlägige Entscheidung des LG Berlin vom 17.12.2015 (20 O 172/15).
An einigen Stellen vollzieht das Buch neuere Entwicklungen nicht nach. Dies betrifft zum Beispiel die fehlende Berücksichtigung der Regelungen zur Lebenspartnerschaft (vgl. S. 45 f., hier sind einige Zahlen ohne Normbeleg angeführt.). Auf Seite 46 ist der Versorgungsfreibetrag des überlebenden Ehepartners zudem falsch angegeben. Weiterhin befindet sich die Regelung des § 13c ErbStG mittlerweile in § 13d ErbStG. Auf Seite 47 ist der Ehegattenfreibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG mit 307.000 € statt richtigerweise 500.000 € angegeben. § 2258a BGB, herangezogen auf Seite 111, wurde bereits zum 01.01.2009 aufgehoben. Gesehen wird, dass in § 2325 Abs. 3 BGB für den Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen mittlerweile eine pro rata-Lösung besteht (S. 90). In der anschließenden Fall-Lösung wird dies jedoch nicht berücksichtigt. Erwähnt wird die examenstechnisch wichtige Vorschrift des § 14 HeimG (S. 99 f.). Es fehlt aber eine Betrachtung der landesrechtlichen Situation, die möglicherweise einer Anwendung von § 14 HeimG entgegensteht (vgl. zu diesem Thema hier im Blog). Auf Seite 233 wird noch das nicht mehr existierende FGG herangezogen.
Sollte in einer Klausur die Frage auftauchen, inwiefern die Vernichtung eines Testaments durch einen Dritten (§ 2255 BGB) auf Veranlassung des Erblassers als Widerruf eingestuft werden kann, empfiehlt sich eine differenziertere Argumentation als auf Seite 112. Wegen der Examensrelevanz dieser Frage soll der Meinungsstand dazu etwas ausführlicher beschrieben werden.
Das OLG München hat folgende Voraussetzung aufgestellt:
§ 2255 I 1 BGB setzt ferner voraus, dass der Erblasser selbst die Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde vornimmt, also persönlich handelt. Dabei kann es auch als persönliches Handeln angesehen werden, wenn er sich eines Dritten als unselbstständigem Werkzeug bedient, der in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Urkunde vernichtet; dem Dritten darf dabei kein Entschluss- und Handlungsspielraum verbleiben […].
(Beschl. v. 11.04.2011, 31 Wx 33/11)
Es wird sogar darüber diskutiert, ob der Erblasser bei der Vernichtung durch einen Dritten anwesend sein muss:
Da die Erblasserin das Testament nicht persönlich vernichtet hat, bedürfte es – soweit man nicht überhaupt, wie das Amtsgericht, befürwortet, dass die Vernichtung durch einen Dritten in Gegenwart der Erblasserin zu erfolgen hat (so mit beachtlichen Gründen Staudinger-Baumann, BGB – Neubearbeitung 2012 § 2255 Rdn. 22 f.) – jedenfalls der Vernichtung auf Geheiß der Erblasserin durch ein als unselbständiges, weil nicht mit eigenem Entscheidungsspielraum ausgestattetes, „Werkzeug“ (vgl. OLG München NJW-RR 2011, 945; OLG Hamm NJW-RR 2002, 222, 223; Hagena in Münchener Kommentar zum BGB 6. Auflage 2013 § 2255 Rn. 13; Litzenburger in BeckOK BGB Stand: 01.02.2014 § 2255 Rn 6).
(OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.04.2014, I-3 Wx 141/13, 3 Wx 141/13)
Schmoeckel’s Begeisterung für das deutsche Erbrecht ist nicht zu übersehen. Er hebt die „wunderbare Klarheit der erbrechtlichen Strukturen“ (S. 7) hervor und hält das deutsche Erbrecht sogar für logisch (S. 5).
Ob diese Begeisterung auf den Lernenden überspringen wird, ist eine offene Frage. Didaktisch hat das Buch das Potential, Begeisterung für das Erbrecht zu wecken.
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