Im Saarland ist in der 2. juristischen Staatsprüfung folgendes denkbar:
Man hat im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage die sachliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG zu prüfen.
Werfen wir einen Blick auf den entsprechenden Normtext:
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:
[…]
2. ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:
a) Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
[…]
Nun greift man zu dem zugelassenen Kommentar Musielak/Voit, Zivilprozessordnung: ZPO mit Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 14., neubearbeitete Auflage 2017, den man aus Gründen der Examenssicherheit zum Preis von 169,00 € erworben hat. Denn, so wird u.a. dafür geworben:
Seine besondere Klasse beweist das Werk vor allem in schwierigen Situationen, wo es stets mit praxistauglichen Lösungen aufwartet.
Gilt das auch hier?
In dem Kommentar liest man:
Unter § 23 Nr. 2a, der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet, fallen im Gegensatz zu § 29a Abs. 2 ZPO auch Wohnungen der in § 556a Abs. 8 BGB genannten Art, also Wohnraum, der zu nur vorübergehendem Gebrauch vermietet ist (§ 564b Abs. 7 Nr. 1 BGB), möblierte Zimmer für Einzelmieter (§ 564b Abs. 7 Nr. 2 BGB) sowie Häuser und Räume für Ferienzwecke (§ 564b Abs. 7 Nr. 4 BGB) oder öffentliche Aufgaben (§ 564b Abs. 7 Nr. 5 BGB).
(Wittschier in: Musielak/Voit, ZPO, § 23 GVG, Rn. 10)
Jetzt will man den zitierten § 556a Abs. 8 BGB aufschlagen und stellt fest:
§ 556a BGB hat nur drei Absätze und handelt vom „Abrechnungsmaßstab für Betriebskosten“. Das passt irgendwie nicht.
Auch der Versuch, die zitierten § 564b Abs. 7 Nr. 1 BGB, § 564b Abs. 7 Nr. 2 BGB, § 564b Abs. 7 Nr. 4 BGB und § 564b Abs. 7 Nr. 5 BGB aufzuschlagen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Denn § 564b BGB existiert nicht mehr.
Dass dieser Befund in der Prüfungssituation ein Beitrag zur Verunsicherung ist, liegt auf der Hand.
Was aber ist des Rätsels Lösung?
§ 29a ZPO idF v. 11.01.1993 (gültig bis zum 31.08.2001) lautete:
(1) Für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich um Wohnraum der in § 556a Abs. 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Art handelt.
Daher kommt also die Verweisung auf § 556a Abs. 8 BGB. Dieser lautete bis zum 31.08.2001:
Diese Vorschriften gelten nicht für Mietverhältnisse der in § 564b Abs. 7 Nr. 1, 2, 4 und 5 genannten Art.
Und siehe da: Die Verweisung auf § 564b Abs. 7 Nr. 1, 2, 4 und 5 BGB – wie im Kommentartext.
Heute sieht die Lage wie folgt aus:
§ 29a ZPO: Ausschließlicher Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen
(1) Für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich um Wohnraum der in § 549 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Art handelt.
Es wird also von § 29a Abs. 2 ZPO auf § 549 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB verwiesen.
Schreibe einen Kommentar