Die Bundestagswahl steht bevor, und da könnte die folgende Frage praxisrelevant werden. Möglicherweise kann sie sogar prüfungsrelevant werden. Deswegen sei ein entsprechender fiktiver Prüfungsdialog für die Darstellung gewählt.
Prüfer: „Stellen Sie sich vor, Ihnen sei beim Ankreuzen auf dem Stimmzettel ein Irrtum unterlaufen? Was können Sie tun?“
Der Kandidat hat im Internet folgende Antwort auf diese Frage gelesen:
„Ist einem Bürger beim Ankreuzen des Stimmzettels ein Fehler unterlaufen, kann er einen Ersatzstimmzettel verlangen. Der unbrauchbare Stimmzettel muss dann im Wahllokal in Anwesenheit der Wahlhelfer vernichtet werden. Damit wird ausgeschlossen, dass nicht zwei Stimmzettel abgegeben werden.“
Also antwortet der Kandidat frohgemut wie folgt:
„In diesem Fall kann der Bürger einen Ersatzstimmzettel verlangen.“
Damit ist nun aber die Folgefrage nahezu unvermeidlich, die lauten wird:
„Und auf welche Rechtsgrundlage lässt sich dieses Begehren stützen?“
Um dafür gewappnet zu sein, ist ein Blick ins Gesetz nützlich. In erster Linie denkt man an das Bundeswahlgesetz. Aber da findet sich keine Antwort. § 34 sagt zur Stimmabgabe mit Stimmzetteln nur:
(1) Gewählt wird mit amtlichen Stimmzetteln.
(2) Der Wähler gibt
- seine Erststimme in der Weise ab, daß er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welchem Bewerber sie gelten soll,
- seine Zweitstimme in der Weise ab, daß er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welcher Landesliste sie gelten soll.
Der Wähler faltet daraufhin den Stimmzettel in der Weise, dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar ist, und wirft ihn in die Wahlurne.
Also muss man wissen, dass Präzisierungen zum Bundeswahlgesetz in der Bundeswahlordnung geregelt sind. Und dort ist in § 56 Abs. 8 für die fragliche Problematik folgendes vorgesehen:
Hat der Wähler seinen Stimmzettel verschrieben oder versehentlich unbrauchbar gemacht oder wird der Wähler nach Absatz 6 Nr. 4 bis 6 zurückgewiesen, so ist ihm auf Verlangen ein neuer Stimmzettel auszuhändigen, nachdem er den alten Stimmzettel im Beisein eines Mitglieds des Wahlvorstandes vernichtet hat.
Die eingangs zitierte Internet-Quelle hatte also im Ergebnis recht, aber leider ohne Beleg. Woraus man die (eigentlich) selbstverständliche Konsequenz ableiten kann: Gib Dich nicht mit Ergebnissen zufrieden, die Du im Internet gefunden hast. Suche stattdessen immer nach den juristischen Begründungen. Sorry, aber auch Selbstverständlichkeiten müssen hin und wieder ausgesprochen werden.
Wobei man nicht verschweigen sollte, dass „das Internet“ überraschend oft eine recht gute Quelle für Antworten zu der Frage darstellt, wie eine bestimmte Rechtsfrage im Ergebnis – und in der Praxis – zu beantworten ist, manchmal sogar mit Hinweisen auf passende Quellen. Beides – die (weitgehend) richtige Antwort und die Quelle – hätte man gerade in unbekannten und (nach dem persönlichen Kenntnishorizont) abseitigen Rechtsgebieten im Wege der juristischen Recherche gar nicht oder nur mit sehr viel mehr Aufwand finden können.
Allerdings haben Sie völlig Recht: man darf bei diesem Schritt keinesfalls stehenbleiben und muss dann die juristische Begründung für das Ergebnis finden – was meist leichter fällt als sich eine praktische Rechtsfrage komplett zu erarbeiten, denn damit steht ja immerhin fest, dass es überhaupt eine Regelung gibt.
Danke für die Einordnung in den größeren Zusammenhang. Die juristischen Basis-Informationen im Internet weiß ich immer zu schätzen. Ich wollte nur an einem Beispiel zeigen, dass man dann manchmal eigenständig an einer Vertiefung arbeiten sollte – und darin sind wir ja einig.