Mit dem Buch „Die Arbeitsmethode des Zivilrichters“ wendet sich Kurt Schellhammer an Rechtsreferendare und junge Praktiker (so der Untertitel). Er arbeitet mit Fällen und einer Musterakte (so der weitere Untertitel). Die Musterakte begleitet die Leserinnen und Leser vom Anfang bis zum Ende des Buches. Es wird ständig darauf Bezug genommen. Bereits diese Strukturierung sichert dem Buch seine Praxisnähe. In den vergangenen Wochen habe ich diesen „Schellhammer“ durchgearbeitet und immer wieder im Einzelnen herangezogen. Im Folgenden will ich von meinen Eindrücken berichten.
Die durchgängige Erfahrung ist: Das Buch liest sich gut. Es gibt keine Sätze, die man zwei- oder dreimal lesen müsste, um ihren Sinn zu entschlüsseln.
Schellhammer will lehren, wie in der Praxis gearbeitet werden soll, nicht, wie in der Praxis gearbeitet wird. Dieser normative Ansatz soll den Leserinnen und Lesern eine Orientierungshilfe für die eigene Arbeit sein. In einer sehr persönlich geprägten Passage schildert Schellhammer seine Arbeitsweise, wobei er in sympathischer Weise die Leiden anklingen lässt („Ich stöhnte, ächzte, ärgerte mich“, Rn. 52), die eine sorgfältige Arbeitsweise nach seinen Idealvorstellungen mit sich bringt.
In sehr offener Weise kommt er auf die Rolle des Gefühls zu sprechen, das sich nicht ganz ausklammern lässt. Als Beispiel führt er den Fall an, dass eine junge Kindergärtnerin ihrem früheren Freund, einem Maul- und Frauenhelden, ihre ganzen Ersparnisse von 40.000 Euro gegeben hat, damit er sich einen Porsche kaufe (Rn. 55). Bei der Rückforderung dieser Summe als Darlehen nach der Trennung der Beiden habe sich irgendwie der Gedanke aufgedrängt, dass das „Darlehen“ auch ein Geschenk gewesen sein könne. Dennoch sei er geneigt gewesen, „die Beweisanforderungen zu reduzieren, um dem ‚Opfer‘ zu seinem ‚Recht‘ zu verhelfen“. Dieses offene Wort führt bei weiterem Nachdenken zu der Konsequenz, sich beim eigenen Handeln ständig dieser Problematik bewusst zu sein.
Eine weitere Problematik des gerichtlichen Alltags wird in Form einer Anekdote angesprochen (Rn. 61). Ein Referendar beobachtet, wie der Richter nach dem Klägervortrag sagt: „Sie haben Recht.“ Das Gleiche sagt er nach dem Beklagtenvortrag. Auf den Einwand des Referendars hin, man könne doch nicht beiden Recht geben, meint der Richter: „Da haben Sie auch wieder Recht.“
Abgesehen einmal von der Frage, wie oft vor dem Einzelrichter plädiert wird, macht die Anekdote doch sehr schön deutlich, dass die Zuweisung des „Recht habens“ an eine Position allein eine schwierige Sache ist. Derartige Überlegungen in einem Praxis-Buch anklingen zu lassen, hebt das Buch über vergleichbare Bücher hinaus, die nur Praxisratschläge ohne den Hauch einer Reflexion über diese hinaus enthalten.
Schellhammer war von 1967 bis 2000 richterlich tätig. Dass er die Summe seiner Erfahrungen für den juristischen Nachwuchs in so gut lesbarer und klarer Form nutzbar gemacht hat, sei ihm gedankt.
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