Prüft man die Begründetheit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil?

Das Landesprüfungsamt Nordrhein-Westfalen stellt zu Übungszwecken zahlreiche Aktenvorträge mit Prüfervermerken zur Verfügung, die grundsätzlich sehr empfehlenswert sind. Bei der Vortragsakte KV-Nr. 1471 bin ich aber über einen Prüfungspunkt gestolpert, über den ich hier schreiben möchte.

In dem Prüfervermerk heißt es:

Der Einspruch dürfte auch begründet sein, da die Klage zwar zulässig aber unbegründet sein dürfte.

„Der Einspruch dürfte auch begründet sein“?

Gleich vorweg: Die Begründetheit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil prüft man nicht. Das wurde mir im ZPO-Repetitorium an der Uni so gebetsmühlenartig immer wieder vor Augen gestellt.

Warum ist das so? Ganz einfach: § 342 ZPO:

Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

Es kommt also nur darauf an, dass der Einspruch zulässig ist. Dann wird der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. An dieser Stelle ist dann die Zulässigkeit und die Begründetheit der ursprünglichen Klage zu untersuchen.

Dass man die Begründetheit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nicht zu prüfen hat, sieht auch Metzing so:

Kein Prüfungsgegenstand hingegen ist die Begründetheit des Einspruchs, dh ob die Voraussetzungen eines Versäumnisurteil bzw. eines Vollstreckungsbescheids vorlagen.

(JuS 2016, 678, 680)

P.S. Und wenn wir uns schon mit dem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil beschäftigen, noch einen Hinweis zur Prüfung der Zulässigkeit eines solchen Einspruchs. Praktischerweise kann man das gesamte Prüfungsschema zur Zulässigkeit § 341 I 1 ZPO entnehmen:

Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist.

6 comments

  1. 123 sagt:

    Wenn man es schon genau machen will, sollte man das Prüfungsprogramm (ebenso wie die beiderseitigen Anträge) dann aber auch primär an § 343 ZPO ausrichten – um die „Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage“ geht es deshalb nur mittelbar.

    DAS ist im Übrigen auch sachlich wichtig – entgegen dem durch § 342 ZPO erweckten Eindruck ist das Versäumnisurteil durch den zulässigen Einspruch ja keineswegs aus der Welt und nach stattgebendem VU ein weiterer auf Verurteilung gerichteter Antrag, dessen Begründetheit man prüfen könnte, deshalb gar nicht zulässig. Dass man hierfür nicht den Ausdruck „Begründetheit des Einspruchs“ verwenden darf, wie man in der Tat immer wieder lesen kann (und deshalb allerdings auch beachten sollte), ist dagegen nicht mehr als eine Formulierungsusance.

    • klartext-jura sagt:

      Danke für den Hinweis auf das weiterhin trotz Einspruchs in der Welt verbleibende VU. Deswegen wird ja empfohlen immer auch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 719 I, 707 ZPO zu stellen.

      • 456 sagt:

        „. Deswegen wird ja empfohlen immer auch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 719 I, 707 ZPO zu stellen.“
        Und von wem wird das empfohlen, das „immer“ zu tun? Anders gefragt: VU gegen den Kläger, Bekl. nicht anwaltlich vertreten. Welche Zwangsvolstreckung sollte denn hier einstweilig eingestellt werden?

        Pro forma: Der Antrag würde natürlich auf „einstweilige Einstellung ohne, hilfsweise gegen, Sicherheitsleistung“ lauten und nicht auf auf einstweilige Einstellung.

        • klartext-jura sagt:

          Vielen Dank wie stets für die Präzisierung mit großem Lernpotential für mich. Ich hätte also nicht schreiben sollen, dass ein solcher Antrag immer gestellt werden sollte.

          (So aber Peter, JuS 2013, 129: „Daher sollte – wie es R getan hat – mit dem Einspruch stets ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung gem. §§ 719 I, 707 gestellt werden.“)

          Stattdessen hätte ich formulieren sollen, dass immer die Notwendigkeit eines solchen Antrags geprüft werden sollte. In diesem Sinne Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 13. Aufl. 2017, H., Rn. 30:

          „Legt der Anwalt für seine Partei Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ein, sollte er immer einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 707, 719 in Erwägung ziehen.“

  2. Maximus Pontifex sagt:

    Auch wenn die Formulierung unglücklich ist, entscheidend ist die fettgedruckte Überschrift davor: „Sachentscheidung nach Einpruch“. Es ist zwar nett, wenn du hier einzelne Sätze aus dem Zusammenhang reißt und sie kritisierst. Redlich wäre es, den Kontext zu beachten.

    • klartext-jura sagt:

      Nur noch einmal zur Klarstellung: Es geht um die Lösung, die ein Prüfungsamt verbreitet. In dieser Lösung wird die Begründetheit des Einspruchs geprüft. Das ist, wie beispielsweise bei Kaiser/Kaiser/Kaiser: Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 7. Aufl. 2017, S. 53 (Rn. 50e) hervorgehoben wird, ein schwerwiegender Fehler:

      „Beachte: Nach der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruches prüfen Sie im Folgenden die „Erfolgsaussichten“ eines Einspruchs, also ob mit Erfolg Einwendungen gegen die Zulässigkeit oder Schlüsssigkeit der Klage erhoben werden können (s. unten). Es geht nicht um die Begründetheit des Einspruchs! Ein Einspruch versetzt den Rechtsstreit nur in die Zeit vor Säumnis zurück, er kann aber nicht begründet oder unbegründet sein. Wir sehen in den Prüfungsanfechtungsverfahren leider permanent, dass viele Referendare das falsch formulieren. Das wird von den Korrektoren IMMER angestrichen!“
      (Hervorhebungen im Original)

      Ob man angesichts dieser Sachlage die fettgedruckte Überschrift „Sachentscheidung nach Einspruch“ zur Rettung anführen kann, mag ich bezweifeln.

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